Der Bodhisattva-Weg

&

Der InterSein-Orden
 

Bild: Avalokiteshvara

Bodhisattva Avalokiteshvara, (Chenrezig, Kuan-Yin);
siehe auch:
Vessantara, zum wohl aller Wesen
.
 

 

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Der Text steht der Allgemeinheit zur Verfügung. Eine Verwertung in Publikationen, die über übliche Zitate hinausgeht, bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Autors.
 

 

Inhaltsverzeichnis
 

Der Bodhisattva-Weg - eine kleine Einführung

Vielen Wesen zum Wohle (Mahâvagga des Vinaya-Pitaka 1,11,1)

Schutz durch Rechte Achtsamkeit (Samyutta-Nikâya 47,19)

Die Bodhisattva-Gelübde im Chan / Zen

Bodhisattva-Vows in Chan / Zen

Die Bodhisattva-Gelübde im Mahâyâna (Shântideva: Bodhicaryâvatâra)

Die Vierzehn Übungswege der Achtsamkeit des Ordens InterSein

Die Gelöbnisse der Bodhisattvas (Brahmajala-Sutra)

Japanisches Kinderlied

 

 

Der Bodhisattva-Weg - eine kleine Einführung

Der Buddha hat in vielen seiner Lehrreden darauf hingewiesen, daß unser Leiden seine Wurzeln in unseren Gewohnheiten von Verlangen (Gier), Aversion (Hass) und Unwissenheit hat. Hierbei meint Unwissenheit das Nicht-Verstehen der Verbundenheit allen Lebens und aller Dinge - und tatsächlich scheint diese Unwissenheit die tiefste Quelle allen Leidens zu sein, denn nur, wenn wir uns unverbunden sehen und isoliert fühlen, sind wir fähig zu jenem blinden Egoismus, der anderen Lebewesen Schmerz und Leiden zufügt und die Ökosysteme dieser Erde rücksichtslos zerstört.

Ob es sich um die Destruktivität in unseren Familien, in unserer Gesellschaft, des internationalen Kapitalismus, oder um jene ungezählten Kriege handelt - all dies hat ja implizit die hartnäckige Illusion eines isolierten "Ich" oder "Wir" zur Voraussetzung.

Traditionell gilt im Buddhismus die Vipassanâ-Meditation, häufig auch Einsichts-Meditation genannt, als der geeignete Weg, um zu einer wirklichen und befreienden Einsicht in das "Nicht-Ich" zu gelangen.

Insbesondere im Mahâyâna-Buddhismus wird aber auch der Weg des Dienens, des Mitgefühls und der "Selbst-losen" Liebe als ein Weg des Erwachens zur Wirklichkeit unserer innigen Verbundenheit betont:
im Üben von selbstlosem Denken, Reden und Handeln, überschreiten wir manchmal viel müheloser die Grenzen unserer egoistischen Selbst-Bezogenheit als in so manch langem Rückzug zur Meditation.
Auch kann uns der Weg des mitfühlenden und weisen Handelns auf eine sehr schöne und konstruktive Weise mit Menschen auf anderen geistigen und religiösen Wegen verbinden und so zum Frieden in dieser Welt beitragen.

Lama Anagarika Govinda beschreibt in seinem Buch: Lebendiger Buddhismus im Abendland, O.W. Barth Verlag, München 1986, (S. 137 ff.) sehr schön das Ideal und die Praxis des Bodhisattva-Weges:

"Dann mag eines Tages spontan in ihm Bodhicitta (der erwachte Herz-Geist) aufleuchten: Es bricht plötzlich in einem Menschen, der offensteht, als ein ganzheitliches, totales Ergriffensein vom Leid und der Not aller Wesen durch. Unbedeutend erscheint ihm dann alles persönliche Mißgeschick, alle Qual, aller Schmerz. Nur ein Wunsch erfüllt blitzartig sein Bewußtsein: alle diese Wesen frei und glücklich zu machen.
.....
Wenn etwas in dieser Welt Bodhicitta den Weg bahnen kann, dann ist es allein ein liebevolles, verstehendes Sich-Öffnen und Mitfühlen mit anderen Wesen, das nicht Besitz ergreift noch einen Lohn für sich erstrebt (und sei dieser noch so subtil) oder sich gar einbildet, 'Verdienste zu erwerben': Ich-freies Handeln mit wachem Bewusstsein aus Liebe, Mitleiden, Mitfreuen mit allen fühlenden Wesen ist allein der Schlüssel dazu. Und wem es gelingt, auch nur ein einziges Wesen selbstlos zu lieben, ohne zu verlangen und das Seine zu suchen, der wird durch diese Liebe zu einem Wesen befähigt, alle Wesen zu lieben und Bodhicitta in sich zu erzeugen, beziehungsweise es durchbrechen zu lassen. Dann werden seine Lippen vielleicht ähnliche Worte finden, wie sie einst Shântideva fand:

            Ich nehme auf mich die Last aller Leiden.
            Ich bin entschlossen, sie zu ertragen.
            Ich kehre nicht um.
            Ich fliehe nicht, noch zittre ich.
            Ich gebe nicht nach, noch zögere ich.
            Und warum?
            Weil die Befreiung aller Wesen mein Gelöbnis ist. "

 

Es gibt im Buddhismus eine alte Tradition der Ethik-Regeln und Gelübde - dabei werden diese Ethik-Regeln nicht als "gottgegebene Gebote" gesehen, sondern als menschengemachte und menschliche Übungs-Richtlinien auf dem Weg der Befreiung.
Der Mahâyâna-Buddhismus und seine Bodhisattva-Gelübde entstanden auch als Antwort auf eine gewisse Überbetonung der formalen Aspekte der buddhistischen 227 Mönchs- und 311 Nonnen-Gelübde durch konservative Kreise im Theravâda-Buddhismus.
Demgegenüber betont der Mahâyâna-Buddhismus sehr deutlich die Vergänglichkeit (anicca) aller Dinge und daraus resultierend die Notwendigkeit einer dauernden Wandlung und Anpassung von spirituellen Methoden an sich wandelnde gesellschaftliche Gegebenheiten. Daher entstanden im Mahâyâna-Buddhismus auch immer wieder neue Formulierungen der Bodhisattva-Gelübde oder -Richtlinien und dieser Prozeß einer ständigen Reflektion und innovativen Anpassung ist auch heute, da der Buddhismus im Westen in einem neuen gesellschaftlichen Umfeld erblüht, in vollem Gange.

Als ein Beispiel seien weiter unten die Vierzehn Übungswege der Achtsamkeit des buddhistischen Ordens InterSein (InterBeing, Tiêp Hiên) widergegeben. Dieser Orden wurde 1964 während des Vietnamkrieges von dem vietnamesischen Mönch, Dichter und Friedensaktivisten Thich Nhat Hanh in Vietnam gegründet.

Andererseits ist es wichtig darauf hinzuweisen, daß auch im heutigen Theravâda-Buddhismus sich viele Menschen dem Bodhisatta-Weg und dem Großen Mitgefühl zutiefst verpflichtet fühlen, wie dies der folgende schöne Text des kambodschanischen Mönchs Mahâ Ghosananda zeigt - siehe:
Wenn der Buddha lächelt, Mahâ Ghosananda, Herder Verlag, 1997, Freiburg.

"Wenn ich gut zu jemandem bin, dann wird er oder sie Güte erlernen und daraufhin auch gut zu anderen sein. Wenn ich nicht gut zu jemandem bin, dann wird er oder sie Hass und Ärger in sich nähren und dies auch an andere weitergeben. Wenn die Welt nicht gut ist, dann muss ich meine Bemühungen verstärken, selbst gut zu sein.
Sich um andere zu kümmern ist dasselbe, wie sich um sich selbst zu kümmern. Wenn ich andere respektiere und ihnen diene, diene ich allen Buddhas überall auf der Welt. Dies wird Großes Mitgefühl genannt. Mitgefühl ist ein glücklicher Zustand des Geistes.
Wenn wir uns selbst durch Achtsamkeit schützen, dann schützen wir auch andere. Wenn wir andere Lebewesen durch mitfühlendes Handeln schützen, dann schützen wir auch uns selbst."

 

 

Vielen Wesen zum Wohle (Mahâvagga des Vinaya-Pitaka 1,11,1)

Der Erhabene sprach zu den Mönchen: "Befreit bin ich, ihr Mönche, von allen Fesseln, sowohl göttlichen als auch menschlichen.
Befreit seid ihr, ihr Mönche, von allen Fesseln, sowohl göttlichen als auch menschlichen.

Geht, ihr Mönche, in die Welt, vielen Wesen zum Wohle, vielen Wesen zum Glücke, aus Mitgefühl mit der Welt, zum Nutzen, Wohl und Glück von Göttern und Menschen.

Mögen nicht zwei den selben Weg gehen. Verkündet, ihr Mönche, die Lehre, die am Anfang gute, in der Mitte gute, am Ende gute, die sinnvolle, die wortgetreue, predigt den vollständigen, völlig geläuterten Reinheitswandel.
Es gibt Wesen mit wenig Staub auf den Augen, die werden die Lehre verstehen; würden sie die Lehre nicht hören, gingen sie wieder abwärts."

 

Schutz durch Rechte Achtsamkeit (Samyutta Nikâya 47,19)

Zu einer Zeit weilte der Erhabene im Lande der Sumbher in einem Städtchen der Sumbher namens Sedakam. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche:

"Einstmals, ihr Mönche, gab es einen Bambusakrobaten. Der richtete den Bambus auf und sprach zu seiner Gehilfin Medakathalikâ: 'Komm, liebe Medakathalikâ, erklimme den Bambus und stelle dich auf meine Schultern'. 'Ja, Meister', erwiderte die Gehilfin Medakathalikâ, erklomm den Bambus und stellte sich auf die Schultern des Meisters.
Da sprach, ihr Mönche, der Bambusakrobat zu seiner Gehilfin Medakathalikâ: 'Du, liebe Methakathalikâ, achte auf mich, und ich werde auf dich achten. Wenn so jeweils einer den anderen bewacht, einer auf den anderen achtet, dann werden wir unsere Kunst zeigen, etwas verdienen und wohlbehalten vom Bambus heruntersteigen.
Auf diese Worte erwiderte Medakathalikâ, die Gehilfin, dem Meister:
'So wird nichts daraus, Meister! Achte du auf dich selber, Meister, und ich werde auf mich achten. So werden wir, wenn jeder sich selber bewacht, jeder auf sich selber achtet, unsere Kunst zeigen, etwas verdienen und wohlbehalten vom Bambus heruntersteigen'. "

Die rechte Vorgehensweise dabei, sprach der Erhabene, ist folgende: "Wie Medakathalikâ, die Gehilfin, dem Meister gesagt hat: 'Ich werde auf mich achten', so sind die Pfeiler der Achtsamkeit (satipatthâna), ihr Mönche, zu pflegen: 'Auf den anderen werde ich achten, so sind die Pfeiler der Achtsamkeit zu pflegen. Auf sich selber achtend, ihr Mönche, achtet man auf die anderen. Auf die anderen achtend, achtet man auf sich selber.

Und wie, ihr Mönche, achtet man, auf sich selber achtend, auf den anderen? Durch Pflege, durch Entfaltung, durch häufiges Tun. So, ihr Mönche, achtet man, auf sich selber achtend, auf den anderen. Und wie, ihr Mönche, achtet man, auf den anderen achtend, auf sich selber? Durch Geduld, durch Gewaltlosigkeit, durch Liebe, durch Teilnahme. So, ihr Mönche, achtet man, auf den anderen achtend, auf sich selber.

'Ich werde auf mich achten', so sind, ihr Mönche, die Pfeiler der Achtsamkeit zu pflegen.
'Ich werde auf die andern achten', so sind die Pfeiler der Achtsamkeit zu pflegen.

Auf sich selber achtend, achtet man auf die anderen,
auf die anderen achtend, achtet man auf sich selber."

 


Die Bodhisattva-Gelübde im Chan / Zen

Die fühlenden Wesen sind zahllos,
Wir geloben, sie zu befreien.

Die Illusionen sind unerschöpflich,
Wir geloben, sie zu transzendieren.

Die Dharmas sind unermesslich,
Wir geloben, sie zu meistern.

Buddhas Weg des Erwachens ist überaus erhaben,
Wir geloben, ihn zu verwirklichen.
 

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Bodhisattva-Vows in Chan / Zen

Sentient beings are numberless,
We vow to liberate them.

Delusions are inexhaustible,
We vow to transcend them.

Dharmas are boundless,
We vow to master them.

The Buddhas awakened way is exceedingly sublime,
We vow to embody it.
 

 

Die Bodhisattva-Gelübde im Mahâyâna
(Shântideva: Bodhicaryâvatâra, aus Kapitel III )

Möge ich den Schutzlosen ein Beschützer sein,
ein Führer den Reisenden,
denen die zum anderen Ufer wollen, ein Boot, ein Damm, eine Brücke,
eine Lampe für die, die eine Lampe brauchen,
ein Bett für die, die ein Bett brauchen,
ein Diener für alle Lebewesen, die einen Diener brauchen.

Möge ich den Lebewesen ein Wunschjuwel sein,
ein Glückskrug, eine Zauberformel, ein Wunderheilkraut,
ein Wunschbaum und eine Wunschkuh.

So wie die Erde und die drei anderen Elemente,
zusammen mit dem Raum, alle Wesen beständig nähren und stützen,
möge auch ich zu einer solchen Quelle der Nahrung und Stütze
für alle Wesen werden, die den Raum ausfüllen,
solange noch nicht alle Wesen den Frieden erlangt haben.

Wenn die Buddhas der früheren Zeiten sich dem Bodhicitta,
dem Herz-Geist der Erleuchtung, verpflichteten,
beschritten sie stufenweise den Pfad der Bodhisattva-Praxis.
So verpflichte auch ich mich dem Bodhicitta zum Wohle aller Wesen
und werde stufenweise den Pfad der Bodhisattva-Praxis beschreiten.

Heute ist meine Geburt fruchtbar geworden;
meine Geburt als Mensch hat eine Berechtigung erhalten.
Heute wurde ich in Buddhas Familie geboren.
Jetzt bin ich ein Kind Buddhas.

Jetzt bin ich entschlossen, Handlungen auszuführen,
die meiner Familie würdig sind.
Ich werde die Reinheit dieser fehlerlosen,
edlen Familie nicht beschmutzen.

So wie ein blinder Wanderer
ein Juwel in einem Kehrrichthaufen findet,
so entstand, scheinbar durch einen Glücksfall,
Bodhicitta in mir,

Dieser überragende Nektar, der den Tod zerstört;
der unerschöpfliche verborgene Schatz, der alle Armut beseitigt;

Die überragende Medizin, die sämtliche Krankheiten heilt;
der Baum, der allen Wesen Schutz gewährt,
die es müde sind, die Pfade des Samsara zu wandern;

Das Fahrzeug für alle Reisenden,
die die Sorgen hinter sich lassen;
der Mond des Geistes,
der die Hitze der Begierde kühlt;

Die große Sonne,
welche die Dunkelheit der Unwissenheit zerstreut;
die aus der Milch des Dharma geschlagene reine Butter;

Die große Glückseligkeit
für Wanderer auf den Pfaden des Samsara,
die nach Freude Ausschau halten.

In Anwesenheit aller Buddhas lade ich alle Wesen ein,
meine Gäste zu sein.
Mögen die Götter und alle anderen Wesen sich freuen.
 

Möge das kostbare Juwel des Bodhicitta entstehen,
Wo es noch nicht entstanden ist.
Und wo es bereits entstanden ist,
Dort möge es nicht abnehmen,
Zunehmen möge es von Gipfel zu Gipfel.

 

 

Die Vierzehn Übungswege der Achtsamkeit des Ordens InterSein

In seinem Bemühen, die Not der leidenden Menschen im Vietnamkrieg zu lindern, initiierte der vietnamesischen Mönch, Dichter und Friedensaktivist Thich Nhat Hanh zum Vesak-Fest (Vollmond im Mai) des Jahres 1964 die Gründung des buddhistischen Ordens Tiêp Hiên (InterSein, InterBeing).
'Tiêp' heißt 'in Berührung sein' und 'Hiên' bedeutet 'verwirklichen' und 'hier und jetzt handeln'. Die Ordensmitglieder bemühen sich um einen 'engagierten Buddhismus' im Sinne des Bodhisattva-Ideals.

So heißt es in der Ordens-Satzung:
"Das Ziel des InterSein-Ordens ist es, den Buddhismus zu studieren, mit ihm zu experimentieren und ihn auf eine intelligente und wirksame Weise auf das moderne individuelle wie auch gesellschaftliche Leben anzuwenden."

Die im folgenden aufgeführten 'Vierzehn Übungswege der Achtsamkeit' des InterSein-Ordens kreisen um die folgenden vier Grundsätze:
      - Nicht-Anhaften an Ansichten,
      - Verwirklichung in direkter Übung,
      - Angemessenheit (bzgl. der Bedürfnisse der Menschen und ihres
        sozio-kulturellen Umfeldes),
      - Anwendung geeigneter (gewaltloser) Mittel.

Der InterSein-Orden betrachtet den Geist von Weisheit und Mitgefühl für wichtiger als irgendeine spezifische buddhistische Institution oder Tradition. Im Jahre 2001 gehörten dem InterSein-Orden weltweit etwa 500 Mitglieder an, die in 12 Ländern leben und den Buddha-Dharma praktizieren, davon etwa 50 im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz). Bis ins Jahr 2020 hat sich die Zahl der deutschsprachigen Ordens-Mitglieder etwa verdreifacht, einige davon Mönche und Nonnen, in der Mehrzahl aber Laien.
Alle Mitglieder des Ordens haben sich verpflichtet, die 'Vierzehn Übungswege der Achtsamkeit' in ihrem Alltag beständig zu praktizieren und so bei sich selbst, in der Familie und der Gesellschaft den Wandel hin zu mehr Verständnis und Mitgefühl zu fördern.

Für eine weiterführende Lektüre siehe:
EinsSein, Thich Nhat Hanh, Theseus Verlag, 1991, Berlin.

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  1. Im Bewußtsein des Leides, das durch Fanatismus und Intoleranz entsteht, sind wir entschlossen, keine Lehrmeinungen, Theorien oder Ideologien, einschließlich der buddhistischen, zu vergöttern und diesen nicht anzuhaften. Buddhistische Lehren sind Hilfsmittel, die es uns ermöglichen, durch tiefes Schauen Verstehen und Mitgefühl zu entwickeln. Sie sind keine Dogmen, für die gekämpft, getötet oder gestorben werden sollte.
     
  2. Im Bewußtsein des Leides, das durch Anhaften an Ansichten und falschen Wahrnehmungen entsteht, sind wir entschlossen, Engstirnigkeit zu vermeiden und uns nicht an unsere gegenwärtigen Ansichten zu binden. Wir wollen das Nicht-Anhaften an Ansichten üben, um für die Einsichten und Erfahrungen anderer offen zu sein. Wir sind uns bewußt, daß unser derzeitiges Wissen keine unveränderliche, absolute Wahrheit ist. Da sich Wahrheit nur im Leben selbst findet, wollen wir in jedem Augenblick das Leben in uns und um uns herum achtsam wahrnehmen und bereit sein, ein Leben lang zu lernen.
     
  3. Im Bewußtsein des Leides, das durch das Aufzwingen von Meinungen entsteht, sind wir entschlossen, niemandem - auch nicht Kindern - unsere Meinungen aufzunötigen, weder durch Autorität, Drohung, Geld, Propaganda noch Indoktrination. Wir wollen das Recht anderer respektieren, anders zu sein und selbst zu wählen, an was sie glauben und wofür sie sich entscheiden. Wir wollen jedoch anderen in anteilnehmendem Gespräch helfen, Fanatismus und Engstirnigkeit zu überwinden.
     
  4. Im Bewußtsein, daß es uns helfen kann, Mitgefühl zu entwickeln und Wege zur Überwindung des Leidens zu finden, wenn wir tief in die Natur des Leidens schauen, sind wir entschlossen, dem Leiden nicht aus dem Weg zu gehen oder die Augen davor zu verschließen. Wir verpflichten uns, Kontakt mit denen zu suchen, die leiden. Auf diese Weise erlangen wir tiefes Verständnis für ihre Situation und verhelfen ihnen dazu, ihr Leiden in Mitgefühl, Frieden und Freude zu verwandeln.
     
  5. Im Bewußtsein, daß wahres Glück in Frieden, Festigkeit, Freiheit und Mitgefühl wurzelt, nicht aber in Reichtum und Ruhm, sind wir entschlossen, unser Leben nicht auf Ruhm, Profit, Reichtum oder sinnliches Vergnügen auszurichten und auch keine Reichtümer anzuhäufen, solange Millionen hungern und sterben. Wir verpflichten uns, ein einfaches Leben zu führen und unsere Zeit, Energie und materiellen Mittel mit denen zu teilen, die in Not sind. Wir üben uns, achtsam zu essen, zu trinken und zu konsumieren und auf Alkohol, Drogen und andere Mittel zu verzichten, die uns und unserer Gesellschaft körperlich und geistig schaden können.
     
  6. Im Bewußtsein des Leides, das durch Hass und Ärger entsteht, sind wir entschlossen, die Energie des aufsteigenden Ärgers achtsam wahrzunehmen, um seine in den Tiefen unseres Bewußtseins liegenden Samen zu erkennen und zu verwandeln. Wenn Ärger in uns aufkommt, wollen wir nichts tun oder sagen, sondern achtsames Atmen und achtsames Gehen praktizieren und ihn annehmen, ihn mit unserer Achtsamkeit umarmen und tief in ihn hineinschauen. Wir wollen lernen, diejenigen, die wir für die Verursacher unseres Ärgers halten, mit mitfühlenden Augen zu sehen.
     
  7. Im Bewußtsein, daß Leben nur im gegenwärtigen Augenblick stattfindet und daß es nur im Hier und Jetzt möglich ist, glücklich zu leben, verpflichten wir uns zu der Übung, jeden Augenblick des täglichen Lebens in tiefer Bewußtheit zu leben. Wir wollen versuchen, uns nicht in Zerstreuungen oder im Bedauern über die Vergangenheit oder in Sorgen über die Zukunft zu verlieren. Wir wollen uns in der Gegenwart nicht von Begehrlichkeiten, Ärger oder Eifersucht gefangennehmen lassen. Wir wollen achtsames Atmen üben, um zu dem zurückzukommen, was im gegenwärtigen Augenblick geschieht. Wir sind entschlossen, die Kunst des achtsamen Lebens zu erlernen, indem wir die wunderbaren, erfrischenden und heilenden Kräfte berühren, die wir in und um uns herumvorfinden. Indem wir den Samen der Freude, des Friedens, der Liebe und des Verstehens in uns Nahrung geben, fördern wir den Prozeß der Transformation und Heilung in unserem Bewußtsein.
     
  8. Im Bewußtsein, daß ein Mangel an Kommunikation stets Trennung bewirkt und Leiden schafft, verpflichten wir uns, mitfühlendes Zuhören und liebevolle Rede zu üben. Wir wollen lernen, tief zuzuhören, ohne zu bewerten oder zu reagieren, und wir wollen es unterlassen, Worte zu äußern, die Zwietracht säen oder zu einem Bruch in der Gemeinschaft führen können. Wir wollen keine Anstrengung scheuen, um die Kommunikation aufrechtzuerhalten, zu versöhnen und Konflikte zu lösen, so klein sie auch sein mögen.
     
  9. Im Bewußtsein, daß Worte sowohl Leid als auch Glück hervorrufen können, wollen wir wahrhaftig und aufbauend reden lernen und nur so sprechen, daß Hoffnung und Vertrauen geweckt werden. Wir sind entschlossen, nichts Unwahres zu sagen, weder aus Eigeninteresse, noch um andere zu beeindrucken. Wir wollen keine Nachrichten verbreiten, für deren Wahrheitsgehalt wir uns nicht verbürgen können und wir wollen nichts kritisieren oder mißbilligen, worüber wir selber nichts Genaues wissen. Wir wollen unser Bestes tun, Unrecht beim Namen zu nennen, selbst dann, wenn wir dadurch unsere eigene Sicherheit gefährden.
     
  10. Im Bewußtsein, daß die Übung des Verstehens und Mitfühlens Sinn und Ziel einer Sangha ist, sind wir entschlossen, die Gemeinschaft weder zum Zwecke persönlichen Vorteils oder Gewinns zu benutzen, noch sie in ein politisches Instrument zu verwandeln. Eine spirituelle Gemeinschaft sollte jedoch deutlich Stellung beziehen gegen Unterdrückung und Unrecht und sollte bemüht sein, entsprechende Zustände zu verändern, ohne sich in parteiliche Konflikte verstricken zu lassen.
     
  11. Im Bewußtsein, daß unserer Umwelt und Gesellschaft Gewalt und großes Unrecht angetan worden ist, sind wir entschlossen, in unserem Lebenserwerb den Menschen und der Natur nicht zu schaden. Wir wollen unser Bestes tun und eine Lebensweise wählen, die dazu beiträgt, unser Ideal von Verstehen und Mitgefühl zu verwirklichen. In Kenntnis der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Wirklichkeiten unserer Welt wollen wir uns als Konsumentinnen und Konsumenten und Bürgerinnen und Bürger verantwortungsbewußt verhalten und nicht in Unternehmen investieren, die andere ihrer Lebensmöglichkeiten berauben.
     
  12. Im Bewußtsein, daß Kriege und Konflikte großes Leid verursachen, sind wir entschlossen, in unserem täglichen Leben Gewaltlosigkeit, Verstehen und Mitgefühl zu entwickeln. Wir wollen innerhalb von Familie, Gesellschaft und Staat und in der Welt zur Erziehung zum Frieden beitragen, bei Streitigkeiten in Achtsamkeit vermittelnd eingreifen und Versöhnung fördern. Wir sind entschlossen, nicht zu töten und es nicht zuzulassen, daß andere töten. Zusammen mit unserer Sangha wollen wir uns in tiefem Schauen üben, um bessere Wege zum Schutz des Lebens und zur Verhinderung von Kriegen zu finden.
     
  13. Im Bewußtsein, daß durch Ausbeutung, soziale Ungerechtigkeit, Diebstahl und Unterdrückung Leiden entsteht, verpflichten wir uns, liebende Güte zu pflegen und Wege zu beschreiten, die zum Wohlergehen von Menschen, Tieren, Pflanzen und Ökosystemen beitragen. Wir wollen Freigebigkeit praktizieren, indem wir unsere Zeit, Energie und materiellen Mittel mit denen teilen, die in Not sind. Wir sind entschlossen, nicht zu stehlen und nichts zu besitzen, was anderen zusteht. Wir wollen das Eigentum anderer achten und werden andere davon abhalten, sich am menschlichen Leiden und am Leiden anderer Wesen zu bereichern.
     
  14. (Für Männer und Frauen im Weltleben):
    Im Bewußtsein, daß sexuelle Beziehungen, die durch Begierde ausgelöst werden, das Gefühl der Einsamkeit nicht zum Schwinden bringen können, sondern noch mehr Leiden, Frustration und Einsamkeit hervorrufen, sind wir entschlossen, ohne gegenseitiges Verstehen, ohne Liebe und ohne eine langfristige und verpflichtende Bindung keine sexuelle Beziehung einzugehen. Wir sind uns bewußt, daß sexuelle Beziehungen die Ursache für zukünftiges Leid sein können. Wir wissen, daß wir unsere eigenen und die Rechte und Verpflichtungen anderer respektieren müssen, wenn wir unser eigenes und das Glück anderer bewahren wollen. Wir wollen alles tun, was in unserer Macht steht, um Kinder vor sexuellem Mißbrauch zu schützen und um zu verhindern, daß Paare und Familien durch sexuelles Fehlverhalten entzweit werden. Wir wollen unseren Körper rücksichtsvoll behandeln und unsere Lebensenergien (die sexuelle, den Atem, den Geist) der Verwirklichung unseres Bodhisattva-Ideals widmen. Wir wollen uns der Verantwortung voll bewußt sein, neues Leben in die Welt zu setzen, und wir wollen die Welt, in die wir neue Wesen setzen, zum Gegenstand unserer Meditation machen.
     
 

Die Gelöbnisse der Bodhisattvas (Brahmajala-Sutra)

Das Brahmajala-Sutra (skrt.) ist auch unter den Namen The Sutra of Brahma's Net, Fan-wang-jing (chin.), Bommô-kyô (jap.) bekannt. Der folgende Textauszug ist entnommen aus Grosser Weg - Texte des Zen, Dieter Bünker, Deutsche Buddhistische Union, München, 1989.

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An diesem Tag der Ordination will ich Euch den großen Schatz der Gelöbnisse des Bodhisattva geben. Hier im wesentlichen, was das einleitende Gedicht des Brahmajala-Sutra (skrt.) sagt:

Die Gelöbnisse bewahren bedeutet, Körper und Rede zu läutern und sich den Geist der rechten Konzentration anzueignen. Viel zuhören erschafft die wahre Weisheit. Aus diesem Grund sind die Gelöbnisse die tiefe Wurzel.

Die Gelöbnisse sind die Schatzkammer des wunderbaren Dharma und der die Welt übersteigende Schatz. Sie sind der große Lastkahn oder die bescheidene Barke, mit denen man den Ozean des Lebens und des Todes überquert.

Die Gelöbnisse sind der See der Reinheit und der Frische, der die brennenden Schmerzen wäscht und badet. Sie sind das Schwert der Verwegenheit, das die verderblichen Gifte der Boshaftigkeit neutralisiert.

Die Gelöbnisse sind der letzte Begleiter am Ende, der hilft, die heimtückischen Fallen auf dem Weg zu überwinden. Sie sind das Tor zum wohlschmeckenden Nektar, woran alle Weisen sich frei vergnügen.

Die Gelöbnisse zu bewahren, bedeutet nicht, sich selbst zu verherrlichen, sondern die Feinheit zu besitzen und die Gemeinheit zurückzuweisen. Die Gelöbnisse nicht in einer Sichtweise gefangenzuhalten, bedeutet den Geist des Irrtums zu vermeiden.

Dies wird die Reinheit und Klarheit der Gelöbnisse genannt, über die alle Buddhas eine Lobrede halten. Indem man sie bewahrt, bleibt der Geist ohne Reue und alle Wünsche werden vollkommen erfüllt.

Die Gelöbnisse sind die Wassergräben der Dharmafestung, die beim Aufstand der Illusionen den Zugang versperren. Sie sind ein starker und tapferer General, der die Armeen der Dämonen vernichtet.

Die Gelöbnisse sind das Kleinod der Freiheit, das den Menschen mit dem unschätzbaren Schatz versieht. Sie sind die Höhen der Warte, von wo aus man vergnügt in allen Samadhis spielt.

Die Gelöbnisse zu bewahren bedeutet, die Erde zu ebnen, auf der sich die Bleibe des Zen Samadhi erheben soll, und das Licht der grenzenlosen Weisheit erzeugen zu können und davon das strahlende Leuchten zu erhalten.

Die erhabene Macht der Samadhi Weisheit zu erlangen, die Myriaden Handlungen in ihrer Fülle zu vollbringen, und den Weg des Buddha zu vollenden, die Wurzel von alledem sind die Gelöbnisse.

Daher weiser Mensch, behüte die Gelöbnisse mit einem festen und beständigen Geist. Höre auf, dein Leben zu vergeuden und gib acht, sie nicht zu brechen.

Lege beide Handflächen zusammen und erweise dem Buddha Shakyamuni und allen Meistern Ehrerbietung. Höre dem, was ich dir sagen werde, mit ganzem Geist aufmerksam zu.

Trägst du auch nur das winzigst kleine Vergehen in dir, so muss dein Geist darauf mit Schrecken und Furcht antworten. Wenn du einen Fehler begehst, so bereue ihn aufrichtig und fasse den Entschluss, ihn nie mehr zu begehen.

Wird der Geist wie ein gallopierendes Pferd auf den schlechten Weg geführt, wird er, wild gemacht, für immer unbezähmbar bleiben. Wenn du jedoch nicht von den vom Buddha gegebenen Gelöbnissen abläßt, kannst du die Zügel souverän unter Kontrolle halten.

Buddha selbst hat die Gelöbnisse gelehrt. Der tugendhafte Mensch kann daran glauben und sie nehmen. Ein solcher Mensch besteigt ein folgsames Pferd, und erkann die Armeen der Illusionen vernichten.

Der Mensch muss die Gelöbnisse achten und schützen, so wie die Kuh ihren Schwanz sehr schätzt. Man muss seinen Geist verankern und ihn nicht irreleiten, wie den Affen, der fest angekettet ist.

Ohne diese unabweisliche Lehre des Buddha anzunehmen und ohne die Gelöbnisse zu schätzen und sich an ihnen zu freuen, kann man sein Reitpferd nicht lenken und wird im Kampf von Leben und Tod scheitern.

Wer sich unablässig Tag und Nacht mit Sorgfalt bemüht, und sich inbrünstig nach der ursprünglichen Weisheit sehnt, der befindet sich im Dharma des Buddha und kann das ewige Leben der Lauterkeit und Klarheit erlangen.

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Die folgenden 10 grundlegenden und 48 geringeren, ergänzenden Gelübde der Bodhisattvas wurden von Rev. H. Nearman aus dem Fan-wang-jing, der chinesischen Textversion (von Kumârajîva) des Brahmajala-Sutra, ins Englische übertragen und veröffentlicht in Buddhist Writings, Rev. H. Nearman, Shasta Abbey Press, 1994/1998, Mt. Shasta, California, USA.
Die deutsche Übertragung, die Kommentare und die Interpretationen (insb. der 48 geringeren, ergänzenden Gelübde) stammt von M. B. Schiekel (Ulm, 2002).

 
Einige Bemerkungen vorab mögen vielleicht hilfreich sein:

- Das, was hier als Richtlinien oder Gelübde wiedergegeben wird, heißt im Sanskrit pratimoksha, 'das was losgelassen werden sollte', und dies bezeichnet einfach unheilsames Verhalten.
Zugleich heißt pratimoksha aber auch 'das was befreit', denn ein Leben nach diesen Übungs-Richtlinien ist eine unabdingbare Voraussetzung auf dem Weg zur Befreiung und zum Frieden (nirvana).

- Generell liegt im Mahâyâna bei Richtlinien oder Gelübden die Betonung auf unserer inneren Einstellung, und nicht etwa auf einer rein formalen, buchstabengetreuen und vielleicht sogar sinnentleerten Befolgung der Regeln. Aus dieser Betonung unserer geistigen Einstellung im Umgang mit den Richtlinien folgt auch, daß die 48 geringeren, ergänzenden Gelübde eher den Charakter von Handlungs-Beispielen eines Lebens auf dem Bodhisattva-Weg haben, und nicht etwa als (womöglich vollständige) Kodifizierung eines 'erlaubten' Verhaltens verstanden werden sollten.

- Die Formulierung 'eine schwerwiegende Verfehlung, die den Ausschluß verdient', bezieht sich auf Laien ebenso wie auf Mönche und Nonnen - sie alle verlieren in der Regel ihre Bodhisattva-Ordination und Mönche und Nonnen werden darüberhinaus normalerweise von ihrem Orden ausgeschlossen.
Da andererseits Mitgefühl einer der zentralen Punkte im Mahâyâna ist, bleibt bei klarer Einsicht in fehlerhafte Handlungen, aufrichtigem Bedauern und dem ehrlichen Vorsatz, diese Fehler in Zukunft unter keinen Umständen zu wiederholen, die Tür offen für eine (ggf. spätere) Erneuerung der Ordination.

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Die 10 grundlegenden Gelübde der Bodhisattvas

  1. Nicht töten, sondern das Leben schützen.
    Der Buddha (Vairochana) sagt:
    Ihr Schüler und Schülerinnen des Buddha, solltet ihr selbst töten, vorsätzlich jemand anderen zum Töten veranlassen, jemanden zum Töten ermutigen, das Töten preisen, mit Freude dem Töten zusehen, absichtlich jemandem den Tod wünschen, absichtlich einen Tod verursachen, Gegenstände oder Hilfsmittel zum Töten zur Verfügung stellen, ein Leben auslöschen, auch wenn dies vom Gesetz her sanktinoniert ist, wenn ihr also auf irgendeine Weise am Töten teilnehmt, so begeht ihr eine schwerwiegende Verfehlung, die den Ausschluß verdient.
    Bitte tötet niemals absichtlich irgendein lebendes Wesen.
    Als Bodhisattvas erweckt in euch ein Herz voll unendlichem Erbarmen, Mitgefühl, Respekt und Hilfsbereitschaft und benutzt die euch zur Verfügung stehenden Rechten Hilfsmittel (upaya), um allen fühlenden Wesen zu helfen und sie zu beschützen.
    Wenn du daher aus einem egoistischen und rücksichtslosen Herzen und also absichtlich und vorsätzlich ein Leben auslöschst, so bist du ein Bodhisattva, der eine schwerwiegende Verfehlung begeht, die den Ausschluß verdient.
     
  2. Nicht stehlen, sondern Großzügigkeit üben.
    Ihr Schüler und Schülerinnen des Buddha, solltet ihr selbst stehlen, vorsätzlich jemand anderen zum Stehlen veranlassen, jemanden zum Stehlen ermutigen, an einem Diebstahl, einer Erpressung oder einem Betrug teilnehmen oder einen solchen unterstützen, oder euch auf irgendeine Weise an einem solchen Verhalten beteiligen, so begeht ihr eine schwerwiegende Verfehlung, die den Ausschluß verdient.
    Bitte nehmt nichts an euch, was Abwesenden gehört, oder was bereits von Dieben gestohlen wurde. Bitte nehmt nicht absichtlich irgendetwas, das irgendjemand anderem gehört, und sei es nur eine Nadel oder ein Grasblatt.
    Als Bodhisattvas erweckt aus eurer Buddhanatur heraus ein Herz voller Respekt, Hingabe, Barmherzigkeit und Wohlwollen. Helft immer allen Wesen Glück und Freude zu entwickeln.
    Wenn du im Gegensatz dazu Eigentum und Besitz von anderen stiehlst, so bist du ein Bodhisattva, der eine schwerwiegende Verfehlung begeht, die den Ausschluß verdient.
     
  3. Kein Leid erzeugen in sexuellen Aktivitäten, sondern Aufrichtigkeit, Liebe und Verständnis praktizieren. (Für Laien)
    Ihr Schüler und Schülerinnen des Buddha, solltet ihr sexuellen Mißbrauch begehen, vorsätzlich jemand anderen dazu bewegen, andere dazu ermutigen, oder euch auf irgendeine Weise an einem solchen Verhalten beteiligen, so begeht ihr eine schwerwiegende Verfehlung, die den Ausschluß verdient.
    Bitte begebt euch nicht willentlich und wissentlich in unheilsame sexuelle Aktivitäten. Solltet ihr gierig und lüstern solch unheilsame Aktivitäten mit einem Menschen, einem Tier, einem Deva, einem Toten oder einem Geist ausüben, so begeht ihr eine schwerwiegende Verfehlung, die den Ausschluß verdient.
    Als Bodhisattvas kultiviert ein Herz voller Respekt und Hingabe, um alle fühlenden Wesen zu retten, sie an das Andere Ufer zu geleiten und um die Menschheit zu läutern.
    Wenn du im Gegensatz dazu absichtlich jemanden zu sexuellem Mißbrauch bewegst oder anstiftest - einschließlich deiner Mutter, Tochter, Schwester, oder einer anderen engen Verwandten, oder gar einem Tier - und auf eine zügellose Weise handelst, die deinen Mangel an Wohlwollen und Mitgefühl offenbart, so bist du ein Bodhisattva, der eine schwerwiegende Verfehlung begeht, die den Ausschluß verdient.
     
    (Kommentar:
    - dieses Gelübde richtet sich an Laien, da buddhistische Mönche und Nonnen ja gemäß den Vinaya-Regeln auf jegliche Sexualität verzichten;
    - was hier mit den Begriffen 'sexueller Mißbrauch' oder 'unheilsame sexuelle Aktivitäten' übertragen wurde, heißt in den alten buddhistischen Schriften oft 'zügellose Gier in Sinnesdingen'; gemeint sind Aktivitäten, die ein anderes Lebewesen zu einem Objekt der Lust herabwürdigen, anstatt diesem Wesen mit Aufrichtigkeit, Liebe und Verständnis zu begegnen).
     
  4. Nicht lügen, sondern wahrhaftig und konstruktiv reden.
    Ihr Schüler und Schülerinnen des Buddha, solltet ihr im Widerspruch zur Wahrheit reden, vorsätzlich andere zum Lügen bewegen, andere zum Lügen oder zur Prahlerei ermutigen, oder euch auf irgendeine Weise an Lügen oder Prahlereien beteiligen, solltet ihr vorgeben, etwas gesehen zu haben, was ihr nicht gesehen habt, oder etwas nicht gesehen zu haben, was ihr gesehen habt, oder solltet ihr durch irgendein Zeichen eures Körpers oder eures Geist irgendetwas ausdrücken, das im Widerspruch zur Wahrheit steht, so begeht ihr eine schwerwiegende Verfehlung, die den Ausschluß verdient.
    Als Bodhisattvas bemüht euch ständig um wahre Worte und wahre Sichtweisen, sowohl in euch selbst, als auch in allen fühlenden Wesen.
    Wenn du im Gegensatz dazu falsche Worte, falsche Gedanken, oder falsche Handlungen in anderen aufwühlst, so bist du ein Bodhisattva, der eine schwerwiegende Verfehlung begeht, die den Ausschluß verdient.
     
  5. Keine Rauschmittel (und Illusionen) in Verkehr bringen, sondern sich um die Verbreitung von Weisheit bemühen.
    Ihr Schüler und Schülerinnen des Buddha, solltet ihr selbst Rauschmittel in den Verkehr bringen, andere dazu ermutigen oder zwingen, solchen Handel unterstützen, oder euch auf irgendeine Weise an einem solchen Verhalten beteiligen, so begeht ihr eine schwerwiegende Verfehlung, die den Ausschluß verdient.
    Bitte bringt niemals absichtlich irgendwelche Rauschmittel in den Verkehr, denn tatsächlich führen Rauschmittel zu unangemessenen und beschmutzenden Handlungen.
    Als Bodhisattvas erweckt das klare Licht der Weisheit in allen fühlenden Wesen.
    Wenn du im Gegensatz dazu in anderen den Geist der Verdorbenheit ermutigst oder erweckst, so bist du ein Bodhisattva, der eine schwerwiegende Verfehlung begeht, die den Ausschluß verdient.
     
    (Kommentar:
    - dies beinhaltet auch den 'Wein der Illusion', aber nicht den legitimen medizinischen Gebrauch von Drogen;
    - zum persönlichen Gebrauch von Rauschmitteln siehe das zweite der 48 geringeren, ergänzenden Gelübde).
     
  6. Nicht abschätzig über andere Buddhisten reden oder über ihr evtl. anstößiges ethisches Verhalten klatschen, sondern Mitgefühl entwickeln.
    Ihr Schüler und Schülerinnen des Buddha, solltet ihr über die Handlungen eines Bodhisattvas, seien es die eines Mönchs, einer Nonne oder eines Laien, abschätzig reden oder euch diesbezüglich an bösem Klatsch beteiligen, jemand anderen zu solchem Tun ermutigen, solche Verleumdungen oder bösen Klatsch unterstützen, oder euch auf irgendeine Weise an einem solchen Verhalten beteiligen, so begeht ihr eine schwerwiegende Verfehlung, die den Ausschluß verdient.
    Wenn ihr als Bodhisattvas einer boshaften Person begegnet, die kein Buddhist ist oder ein Anhänger des Kleinen Fahrzeuges (hinayâna), und wenn ihr hört, wie jene Person andere Menschen im Buddhadharma beschuldigt, nicht den Sutren oder dem Vinaya zu folgen, so solltet ihr ein mitfühlendes Herz entwickeln, um jene Person zu belehren, zu bekehren und in ihr das Vertrauen und die Tugenden des Mahâyâna zu erwecken.
    Wenn du im Gegensatz dazu als ein Bodhisattva selbst bösen Klatsch verbreitest und abschätzig über Handlungen von Menschen im Buddhadharma redest, die im Gegensatz zu den Gelübden zu stehen scheinen, so begehst du eine schwerwiegende Verfehlung, die den Ausschluß verdient.
     
    (Kommentar:
    - die Intention dieses Gelübdes ist es, unheilsame Sprache, Disharmonie in der Sangha und den Verlust von Vertrauen in Buddha, Dharma und Sangha zu vermeiden;
    - keinesfalls sollte dieses Gelübde als Vorwand benutzt werden, um destruktive Verhaltensweisen, wie sexuellen Mißbrauch, Mißbrauch von Macht und Geld oder kriminelle Handlungen zu ignorieren oder zuzudecken. Der Schaden und Vertrauensverlust durch das Fortwirken solch unheilsamer Handlungen im Verborgenen ist ja regelmäßig weitaus gravierender, als eine kurzfristige Irritation der Sangha beim Bemühen um Wahrhaftigkeit und Reinigung;
    - es ist also bei der Anwendung dieses Gelübdes stets auch das Gelübde Nr. 4 "Nicht lügen, sondern wahrhaftig und konstruktiv reden" zu berücksichtigen).
     
  7. Nicht sich selbst erhöhen und andere herabsetzen, sondern Geduld entwickeln bei Kritik und Feindseligkeiten durch andere.
    Ihr Schüler und Schülerinnen des Buddha, solltet ihr euch selbst rühmen und andere herabsetzen, jemand anderen zu solchem Handeln ermutigen, mithelfen andere abzuwerten oder zu verunglimpfen, oder euch auf irgendeine Weise an einem solchen Verhalten beteiligen, so begeht ihr eine schwerwiegende Verfehlung, die den Ausschluß verdient.
    Als Bodhisattvas nehmt stattdessen zum Wohl aller fühlenden Wesen voller Geduld Beleidigungen und Kritik durch andere an; seht, was schlecht ist an eurem eigenen Handeln und was gut ist am Handeln der anderen.
    Wenn du im Gegensatz dazu dich deiner eigenen Tugenden rühmst und die guten Qualitäten anderer ignorierst, so daß jene Wesen letztlich verunglimpft und herabgesetzt werden, so begeht du eine schwerwiegende Verfehlung, die den Ausschluß verdient.
     
  8. Nicht geizig sein mit materiellen Mitteln oder mit dem Dharma, sondern Großzügigkeit üben.
    Ihr Schüler und Schülerinnen des Buddha, solltet ihr habgierig und geizig sein, Habgier und Geiz bei anderen Menschen ermutigen oder fördern, oder euch auf irgendeine Weise an einem solchen Verhalten beteiligen, so begeht ihr eine schwerwiegende Verfehlung, die den Ausschluß verdient.
    Wenn ihr als Bodhisattvas einem armen und mittellosen Menschen begegnet, der zum Betteln gezwungen ist, so findet bitte in Übereinstimmung mit unseren spirituellen Vorfahren weise und angemessene Wege, um diesen Menschen mit dem zu versorgen, was er oder sie benötigt.
    Wenn du im Gegensatz dazu als ein Bodhisattva und aufgrund deines Geizes und deiner Geringschätzung eines bedürftigen Menschen nicht bereit bist, selbst eine kleine Münze, eine Nadel oder einen Grashalm zu geben, so begehst du eine schwerwiegende Verfehlung, die den Ausschluß verdient.
    Auch wenn du nicht bereit bist, einem Menschen, der das Dharma sucht, einen Satz einer Lehrrede (sutra), einen Vers, oder ein winziges Stück des Dharma anzubieten, sondern stattdessen diese Person schmähst, beleidigst oder beschimpfst, so begehst du eine schwerwiegende Verfehlung, die den Ausschluß verdient.
     
  9. Nicht Ärger und Hartherzigkeit kultivieren, sondern sich um Mitgefühl, um Beilegung aller Konflikte und um Harmonie bemühen.
    Ihr Schüler und Schülerinnen des Buddha, solltet ihr Ärger gegen jemanden hegen, eine andere Person ermutigen, ihren Hass zu nähren, absichtlich Ärger provozieren, oder euch auf irgendeine Weise an einem solchen Verhalten beteiligen, so begeht ihr eine schwerwiegende Verfehlung, die den Ausschluß verdient.
    Als Bodhisattvas fördert bitte in allen Wesen die Wurzeln des Guten und die Befriedung von Kontroversen und Streitigkeiten. Erweckt beständig in euch ein mitfühlendes Herz, ebenso wie Respekt und Hingabe.
    Wenn du im Gegensatz dazu beginnst, irgendjemand anderen zu schmähen, zu beleidigen oder zu beschimpfen, selbst wenn dies wirklich ein äußerst boshafter Mensch sein sollte - oder schlimmer noch, solltest du in deinem Ärger jemanden mit deiner Hand, einem Stock oder einem Schwert schlagen, so begehst du eine schwerwiegende Verfehlung, die den Ausschluß verdient.
    Auch wenn du deinen Ärger nicht losläßt, nachdem sich eine Person bei dir entschuldigt und mit sanften Worten ihr Bedauern ausgedrückt hat, so begehst du eine schwerwiegende Verfehlung, die den Ausschluß verdient.
     
  10. Nicht schlecht von den Drei Juwelen sprechen, sondern sich um Verständnis, Vertrauen und Hingabe bemühen.
    Ihr Schüler und Schülerinnen des Buddha, solltet ihr schlecht von den Drei Juwelen sprechen oder diese verleumden, andere dazu ermutigen, vorsätzlich solch niederträchtiger Rede zuhören oder euch auf irgendeine Weise an einem solchen Verhalten beteiligen, so begeht ihr eine schwerwiegende Verfehlung, die den Ausschluß verdient.
    Wenn Bodhisattvas hören, wie ein Nicht-Buddhist aus Unwissenheit, oder irgendeine beliebige Person aus Bosheit, auch nur ein einziges Wort gegen die Buddhas äußert, so schneidet dies in ihr Herz, als sei es dreihundert Mal von einem Schwert durchbohrt worden.
    Wieviel schlimmer ist es da, wenn du selbst, anstatt Vertrauen, Respekt und Hingabe zu entwickeln, bösartige Worte aus deinem Mund kommen läßt, oder dich gemein machst mit Menschen, die böse handeln oder aus ihrer spirituell verdrehten Sichtweisen heraus boshaft reden. Soch ein Bodhisattva begeht eine schwerwiegende Verfehlung, die den Ausschluß verdient.
     

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Ihr, die ihr euch in der günstigen Situation befindet, euch in den verschiedensten Arten von Güte üben zu können, bitte folgt diesen zehn Gelübden und handelt auch nicht auf die allergeringste Weise gegen ein einziges dieser Gelübde, wodurch ihr auch alle anderen Gelübde aufgeben würdet!

Wenn ihr im Widerspruch zu diesen Gelübden handelt, so werdet ihr nicht in der Lage sein, in euch den Erleuchtungsgeist (bodhicitta) zu kultivieren; ihr werdet euren Rang als ein Weltenherrscher (cakravartin), als ein universeller spiritueller Lehrer, der das Rad der Lehre (dharma) in Bewegung setzt, als ein Mönch oder eine Nonne, verlieren. Ihr wandert hinweg von den Zehn Entscheidungen, den Zehn Nährenden Geisteshaltungen, den Zehn Versprechen und den Zehn Stufen der Bodhisattvas. In Kürze, ihr verliert die fortwährend wunderbaren Früchte eurer Buddha-Natur und fallt mit der Wiedergeburt in die drei niedrigen Daseinszustände, wo ihr für zwei bis drei Kalpas nicht in der Lage seid, die Namen von Vater und Mutter zu hören, ganz zu schweigen von den Drei Juwelen (Buddha, Dharma, Sangha).
Seid daher bitte sehr achtsam, nicht ein einziges Gelübde zu verletzen.

Übt und praktiziert die Zehn Gelübde, welche alle Bodhisattvas der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft praktiziert haben, praktizieren und praktizieren werden. Haltet mit einem respektvollen Herzen an diesen Gelübden fest, da dann die achtzigtausend Formen eines ehrwürdigen Verhaltens im Gehen, Stehen, Sitzen und Liegen strahlend in eurem Leben aufscheinen werden.

Der Buddha (Vairochana) sagte dann zu den Bodhisattvas: "Jetzt, nachdem die Zehn Gelübde, die zur Befreiung führen, erklärt wurden, werde ich noch die achtundvierzig geringeren, ergänzenden Gelübde darlegen."

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Die 48 geringeren, ergänzenden Gelübde der Bodhisattvas

1. Nicht Stolz und Arroganz kultivieren, sondern Respekt und Dankbarkeit, insbesondere unseren Lehrern, spirituellen Freunden und Gefährten gegenüber.

2. Keine Rauschmittel benutzen oder weitergeben, sondern im weitesten Sinne ´nüchtern´ bleiben.
(Ausnahme: ein angemessener Gebrauch von Drogen im medizinischen Bereich).

3. Kein Fleisch essen - und zwar aus Mitgefühl mit den lebenden Wesen.
(Ausnahme: aus medizinischen Gründen, oder in Situationen, in denen andere Nahrung nicht zur Verfügung steht).

4. Keine der fünf scharfen Wurzeln oder Gemüse essen.
(Der chinesische Text bezieht sich auf sehr spezielle scharfe indische Wurzeln - die Japaner übertragen diese für ihre Kultur als:
Knoblauch, Lauch, große Zwiebeln, Schalotte, Meerrettich).

5. Nicht versäumen, andere Menschen darin zu ermutigen, eine innere Umkehr und Herzensöffnung zu vollziehen.

6. Nicht versäumen, jene Menschen zu unterstützen, die das Dharma leben und lehren.

7. Nicht nachlässig sein in Bezug auf das Hören von Dharmavorträgen und Meditationsanleitungen.

8. Nicht sich innerlich abwenden von den Bodhisattva-Schriften und Gelübden.

9. Nicht die Pflege und Fürsorge für Kranke und Hilfsbedürftige vernachlässigen. Unter den 8 Feldern des Verdienstes gilt in diesem Sutra die Pflege von Kranken als die bedeutendste Handlung.
(Die 8 Felder des Verdienstes (puññakkhetta) sind es, einem Buddha, einem Arahant, einem Dharma-Meister, einem Vinaya-Meister, einem Mönch / einer Nonne, Vater, Mutter, einem kranken Menschen zu dienen.)

10. Keine Waffen tragen, sammeln oder besitzen.

11. Nicht als militärischer Berater oder Abgesandter dienen, oder sich gar in Revolten verstricken.

12. Nicht vom Leiden anderer Lebewesen profitieren, oder andere Menschen in solchem Tun unterstützen.

13. Nicht andere Menschen beschimpfen, verleumden oder in peinliche Situationen bringen.

14. Nicht aus Unachtsamkeit oder Feindseligkeit ein Feuer auslösen.

15. Keine Lehren darlegen, die mit dem Mitgefühl und der Weisheit des
Bodhisattva-Weges in Widerspruch stehen.

16. Nicht beim Lehren den Bodhisattva-Weg verkürzt darstellen, sondern einerseits auf das hohe Ziel und die hohen Herausforderungen dieses Weges und die Notwendigkeit einer völligen Hingabe an die Übung hinweisen und andererseits beim Lehren die korrekte Folge des Stufenweges einhalten.

17. Nicht Macht, Position und Einfluß mißbrauchen.

18. Nicht das Dharma lehren oder Gelübde übertragen, ohne diese tief zu verstehen.

19. Nicht aus Ärger oder Streitsucht heraus reden und kritisieren.

20.a. Keine Bemühungen unterlassen, um gefangenen Menschen oder Tieren zur Freiheit zu verhelfen.
Betrachte alle Wesen voller Fürsorge als Deine Väter und Mütter!
20.b. Wenn enge Verwandte gestorben sind, so können wir sie unterstützen, indem wir einen Dharma-Meister herbeirufen, der die Bodhisattva-Schriften und Gelübde vorliest und erklärt.

21. Keine Vergeltung, Rache oder Gewalt ausüben.

22. Nicht aus Arroganz oder Stolz versäumen, um Dharma-Belehrungen und die Übertragung der Gelübde zu bitten.

23.a. Nicht die Bodhisattva-Gelübde auf eine unpassende Weise aufnehmen:
die Gelübde sollten vor einem Dharma-Meister abgelegt werden, und nur wenn ein solcher in weitem Umkreis nicht verfügbar ist, können sie auch vor einem Bild oder einer Statue des Buddha oder eines Bodhisattva in einer speziellen Zeremonie abgelegt werden.
23.b. Nicht sich aufrichtigen Fragen zum Bodhisattva-Weg verschliessen.

24. Nicht versäumen, sich voller Hingabe um die Einsicht und Verwirklichung der Buddha-Natur zu bemühen, anstatt sich in weltlichen Dingen zu verlieren.

25. Nicht die Sangha auf ungeeignete Weise, d.h. ohne Mitgefühl und Weisheit leiten, so daß nicht Streit und Disharmonie entstehen und sich ausbreiten, oder mit dem Eigentum der Sangha unachtsam umgegangen wird.

26. Nicht versäumen, wandernde buddhistische Mönche, Nonnen und Pilger zu unterstützen. Nicht einzelne Sangha-Mitglieder (z.B. die Wandermönche) von Gaben für die Gemeinschaft ausschliessen.

27. (Für klösterlich lebende Mönche und Nonnen)
Nicht Gaben und Einladungen individuell annehmen, wenn diese eigentlich für die ganze klösterliche Sangha bestimmt sind.

28. Keine individuellen Einladungen an einzelne klösterlich lebende Mönche und Nonnen aussprechen, sondern die klösterliche Sangha um den Besuch eines Mönches oder einer Nonne bitten.

29. Nicht auf ungeeignete Weise den Lebensunterhalt verdienen, z.B. durch Prostitution, Verführung, Bestechung, Überredung, Druck, Wahrsagerei, Magie, Falknerei, Giftmischerei.

30. Keinen schlechten Einfluß auf die Laien ausüben, z.B. indem unethisches Verhalten mit Leerheit entschuldigt wird.

31. Nicht versäumen, Dinge, die den Drei Juwelen entwendet wurden, (z.B. gestohlene Schriften, Bilder, Statuen, etc.) diesen wieder zuzuführen und alles zu versuchen, um in Unfreiheit oder Sklaverei lebende buddhistische Praktizierende zu befreien - natürlich nur mit gewaltlosen und geeigneten Mitteln im Einklang mit den buddhistischen Lehren.

32. Keine fühlenden Wesen verletzten - auch nicht auf indirekte Weisen, wie z.B. durch Waffenhandel, Tierhaltung, Tierhandel, wirtschaftlichen Betrug und Machtmißbrauch.

33. Nicht in weltlichen Vergnügungen und Faszinationen verloren gehen, z.B. sich nicht aktiv oder passiv an Wettkämpfen beteiligen.

34. Nicht vom Weg der Weisheit abirren, sondern achtsam Bodhicitta (den Herz-Geist der Erleuchtung) und die Gelübde kultivieren.

35. Nicht versäumen, ernsthafte Entschlüsse zum Praktizieren des Weges zu fassen und durchzuführen.

36. Nicht die inneren Verpflichtungen vernachlässigen, die Bodhisattva-Gelübde wirklich zu üben und einzuhalten.

37. (Für wandernde Mönche und Nonnen)
Nicht versäumen, auf Reisen die traditionellen Gebrauchsgegenstände der Mönche und Nonnen mitzuführen und achtsam mit etwaigen Gefahren umgehen (d.h. z.B. als gefährlich bekannte Wege und Situationen zu meiden).

38. Nicht versäumen, das buddhistische Prinzip der Seniorität angemessen zu beachten.

39. Nicht versäumen, sich für das eigene Wohl und das Wohl der Anderen zu engagieren, z.B. durch die Gründung und Unterstützung von Klöstern und Meditationszentren, durch Rezitationen, Vorträge und Erklärungen der Mâhâyana-Schriften, etc.

40. Keine persönlichen Diskriminierungen und Vorurteile beim Erteilen von Ordinationen vornehmen.
Alle Lebewesen dürfen die Mâhâyana-Ordination empfangen - mit Ausnahme jener, die in diesem Leben eine der sieben verwerflichsten Handlungen begangen haben.
(Die sieben verwerflichsten Handlungen sind:
das Blut eines Buddha vergießen, den eigenen Vater, die eigene Mutter, den eigenen Dharma-Meister oder Vinaya-Meister oder einenArahant ermorden, die Sangha böswillig spalten).

41. Keine Ordination leichtfertig oder um persönlicher Vorteile willen geben, sondern der Reinigungspraxis der Anwärter und den notwendigen Dharmabelehrungen große Achtsamkeit schenken.

42. Nicht die Bodhisattva-Gelübde unwilligen oder unbelehrbaren Menschen darlegen.

43. (Für Mönche und Nonnen) Nicht einerseits Almosen und Gaben von Spendern annehmen und andererseits die Drei Juwelen verleumden.

44. Nicht den Sutren und Gelübden des Bodhisattva-Weges die Dankbarkeit und den Respekt versagen, sondern diese Schriften erhalten, lesen, rezitieren, verwirklichen und weitergeben.

45. Nicht versäumen Bodhicitta (den Herz-Geist der Erleuchtung) zu kultivieren, jene Geisteshaltung, die allen Wesen, denen wir begegnen, Mitgefühl und Verständnis entgegenbringt und bereit ist, ihnen zu helfen, ihre Buddha-Natur zu entdecken und sich vom Leiden zu befreien.

46. Nicht das kostbare Dharma in einer respektlosen Umgebung oder auf eine respektlose Weise (z.B. in Widerspruch zu den Gelübden) darlegen.

47. Keine Gesetze fördern oder erlassen, die die freie Ausübung des Dharma behindern.

48. Keine Handlungen begehen, die versuchen die befreienden Lehren der Buddhas und den Bodhisattva-Weg herabzusetzen oder zu zerstören.

 

 

Japanisches Kinderlied

Der folgende Textauszug ist entnommen dem Heft zum Gedenken an Taisen Deshimaru Rôshi (1914-1982) mit dem Titel Bodhidharma, S. 4, zusammengestellt von Dieter Bünker, Internationale Zen Assoziation, Paris, 1982.

Gerne würde ich
in einer kleinen strohgedeckten Einsiedelei leben,
gebaut im Schatten des Pinienwaldes im Flachland.
Lebe ich in diesem Haus,
wenn dann ein Kind krank ist im Osten,
werde ich es in meinen Armen wiegen.
Wenn eine Mutter im Westen müde ist,
werde ich ihr helfen
und ihr die Schultern massieren.
Wenn im Süden einer im Sterben liegt,
werde ich ihn bitten,
kein Aufheben darum zu machen
und keine Angst zu haben.
Aber wenn er stirbt,
werde ich mit tiefem Mitgefühl
um ihn und seine Familie weinen.
Wenn es im Norden einen Streit gibt,
werde ich ihn unterbinden
und sagen: Streitet Euch nicht,
denn das ist für Euch überhaupt nicht nützlich.
Selbst wenn andere mich kritisieren
und behandeln wie ein dummes Kind,
werde ich davon nicht traurig.
Selbst wenn andere mich als gutes Kind bewundern,
werde ich mich daran nicht ergözen.
So ein Kind, hoffe ich zu werden.

 

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