Ryokan,
Alle Dinge sind im Herzen -

Übertragen und mit einer Einführung von
M.B. Schiekel,
Vorwort von David Steindl-Rast.
 


157 Seiten, EUR 8.90, ISBN-10: 3-451-05718-2,
Herder Spektrum 5718, Freiburg, 2006.


Artikel:  Bettina Romhardt, InterSein 29/2006, S.19.

©opyright 2006, InterSein und Bettina Romhardt.
Veröffentlichung hier mit freundlicher Genehmigung von Bettina Romhardt und InterSein.

Ryokans Freude

Vor einigen Jahren stellte uns Thay Giac Thanh, einer der ältesten Dharmalehrer der Plum-Village-Tradition und bis zu seinem Tode Abt des Deer Park Monastery, in einem Vortrag folgende Fragen:
     Gibt es in deiner Freude genügend Raum für deinen Schmerz?
     Gibt es in deinem Schmerz genügend Raum für deine Freude?
 
Mich berührten diese Fragen sehr, deuten sie doch auf eine Freude hin, die weit genug ist, freud- und leidvolle Formen des Lebens einzuschließen.
 
In den Gedichten von Ryokan – einem unkonventionellen japanischen Zenmeister des 18. Jahrhunderts – findet diese tiefe und weite Freude einen unmittelbaren und lebendigen Ausdruck. Ryokan beschreibt seine Tage als Bettelmönch, das Spielen im Kreis der Dorfkinder, lange, kalte Winterabende, die Schönheit der Natur. Ryokans Freude braucht wenig. Sie entspringt einem selbst-losen Geist, der um die innige Verbundenheit allen Lebens weiß.
Hieraus erwächst tiefer Respekt vor dem Leben, der selbst die scheinbar einfachsten und kleinsten Dinge des Alltags in seine innere Fürsorge mit einschließt. Ryokan erwartet nichts. In dieser Freiheit kann er die Dinge sein lassen und sich an ihrer Gegenwart erfreuen. Seine Gedichte atmen tiefes Verstehen und Mitgefühl. Ryokan selbst hat viel gelitten. Extreme Kälte, Hunger und Krankheit waren seine Begleiter. Sein weites Herz hat auch dies umarmt. In seiner Liebe zum Dharma, seinem Verständnis und seiner Lebensweise ist er weit über Konventionen und Wertungen hinausgegangen. Dies brachte ihm den Mönchsnamen „Großer Narr“ ein. Das Geheimnis des Buddhismus, unserer Suche, unseres Lebens drückt er in einem schlichten Satz aus: "Alle Dinge sind im Herzen."
 

Mein Tagewerk: mit den Dorfkindern spielen.
Immer habe ich ein paar Stoffbälle dabei,
in meinen Ärmeltaschen:
Zu viel anderem bin ich nicht nütze,
Doch ich weiß mich zu erfreuen
am stillen Frieden des Frühlings.
 
Dieser Stoffball in meiner Ärmeltasche
ist wertvoller als tausend Goldstücke;
Ich bin nämlich sehr geschickt im Ballspielen.
Wenn jemand mein Geheimnis erfahren möchte,
hier ist es:
"Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben!"

 

Was ist mein Leben?
Ich wandere herum,
Vertraue mich dem Schicksal an.
Manchmal Lachen, manchmal Tränen.
Weder ein Laie noch ein Mönch.
 
Frühlingsbeginn,
ein leichter Nieselregen fällt ohne Ende,
Aber schon haben die Pflaumenblüten begonnen,
die Dinge aufzuheitern.
Den ganzen Morgen sitze ich am Herd,
Niemand ist da zum Reden.
Ich suche mein Papier
Und schreibe mit dem Pinsel einige Gedichte.

 

Wie könnte ich schlafen
An diesem mondbeschienenen Abend?
Kommt, meine Freunde,
Laßt uns singen und tanzen,
Die ganze Nacht lang.
 
Langgestreckt,
Beschwipst,
Unter weitem Himmel
Herrliche Träume
Unter den Kirschblüten.
 
Wilde Rosen
Gepflückt von Feldern
Voller quakender Frösche:
Lass sie schwimmen in deinem Wein,
Und erfreue dich jeder Minute!

 

Meine neue Vase
Von jetzt an
Wird dich nicht einmal
Die kleinste Staubflocke
Belästigen;
Tag und Nacht in meiner Fürsorge
Wirst du nie mehr einsam sein.

 

Das gleichnamige Buch Alle Dinge sind im Herzen mit Ryokans Gedichten, von Munish B. Schiekel liebevoll übersetzt, ist vor kurzem in der zweiten Auflage im Herder-Verlag erschienen.
(ISBN 3-451-05718-2, Abdruck der Gedichte mit freundlicher Genehmigung des Verlags.)
 



Bettina Romhardt, Baum des Wahren Erwachens, ist Heilpraktikerin und wurde 1993 Schülerin des vietnamesischen Zen-Meisters Thich Nhat Hanh. Sie lebte 5 Jahre als Resident in der klösterlichen Gemeinschaft Plum Village in Südfrankreich und wurde von Thich Nhat Hanh zur Dharmacharya (Dharmalehrerin) der Plum Village Dhyana Schule ernannt. Sie ist Mitglied des internationalen Intersein-Ordens (Tiep Hien), der von Thich Nhat Hanh 1964 in Vietnam gegründet wurde. Jetzt lebt Bettina mit ihrer Familie in Berlin und praktiziert mit der Sangha Berlin-Zehlendorf und der Sangha 'Quelle des Mitgefühls', Berlin-Hermsdorf.

 

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