Joel Hoffmann,
Die Kunst des letzten Augenblicks,

Todesgedichte japanischer Zenmeister.


Aus dem Englischen von
Bernardin Schellenberger und Munish B. Schiekel.
160 Seiten, EUR 8.90,  ISBN: 3-451-04965-1,
Herder Spektrum, Freiburg, 2000.


Rezension:  Yesche U. Regel , Lotusblätter 2/2003, S. 52.

©opyright 2002-2003, Lotusblätter und Yeshe U. Regel.
Veröffentlichung hier mit freundlicher Genehmigung der Lotusblätter und von Yeshe Udo Regel.

Nachdem schon soviel Literatur über die Sterbelehren der Tibeter erschienen ist, erfahren wir aus diesem auf den ersten Blick unscheinbaren Büchlein eine ganze Menge über den Umgang japanischer Zen-Meister mit dem Tod. Dies ist vor allem der ausführlichen Einführung (41 Seiten) von Yoel Hoffmann zu verdanken, in der er die japanischen Vorstellungen und Praktiken bezüglich des Todes zusammenfasst, einschließlich der ihr zugrunde liegenden Naturmystik oder dem typisch japanischen Harakiri und Kamikaze-Phänomen der Selbsttötung aus religiösen Motiven. Dies erklärt manches von der Radikalität der Todesgedichte, die oft von einer kompromisslosen Selbstaufgabe und Loslösung von allem Festhalten gekennzeichnet sind, wobei teilweise ein feiner Humor anklingt, der angesichts des unmittelbar bevorstehenden Todes bemerkenswert ist.

Zuerst kommen, immer in alphabetischer Reihenfolge ihrer Namen, große Zen-Mönche und Meister über die Jahrhunderte zu Wort, anschließend Haiku-Dichter. Die meisten sind mit kurzen Kommentaren des Autors versehen, die Haiku-Verse auch mit einer japanischen Version in Lautschrift ausgestattet. Hier einige Beispiele:

So schrieb der Zen-Meister Bassui Tokusho, von dem es heißt, dass er mit ungefähr 31 Jahren durch das Rauschen des Wassers in einem Bach erleuchtet wurde, bei seinem Tod im Jahre 1387:

     Schau direkt vor dich. Was ist da? -
     Wenn du es siehst, wie es ist, -
     Wirst du nie fehlgehen.

 
Der Zen-Mönch Dairin Soto starb 1568 mit den Worten:

     Ein ganzes Leben lang habe ich mein Schwert geschärft, -
     Und jetzt, Aug in Auge mit dem Tod, -
     Zieh ich es aus der Scheide, und da
     Ist die Klinge zerbrochen
     Ach!

 
Der große Haiku-Dichter Basho verließ 1694 diese Welt mit den Worten:

     Auf einer Reise, krank:
     Meine Träume irren
     über vertrocknete Felder.

 
Dieses Buch ist eine deutsche Übersetzung von Yoel Hoffmanns Japanese Death Poems, wobei eine Auswahl aus dem umfangreicheren Gesamtwerk getroffen wurde. Einleitung und Kommentare wurden von Bernadin Schellenberger übertragen, die Gedichte feinfühlig von Munish B.Schiekel übersetzt.
Nachdem der Leser die Einführung studiert hat, kann sie oder er blättern, einen Spruch oder Vers aufschnappen und sich eine Weile mit ihm befassen. Irgendwann fragt man sich unwillkürlich, was man dann selbst eines Tages als letztes von sich geben würde, und sei es auch nur um zu vermeiden das zu sagen, was laut Stephen Levine die meisten Amerikaner sagen (O, shit!).

Das Buch vermittelt aber auch, anders als z.B. die tibetischen Sterbelehren, dass man es sich nicht zu schwer machen sollte. Es scheint vor allem auf die Loslösung, die Einfachheit und sogar auf Witz/Humor anzukommen. Eine lohnende Lektüre, die dem Thema 'buddhistische Sterbevorbereitung' einiges von der Idee nimmt, es ginge darum, zum Zeitpunkt des Sterbens komplizierte Techniken erinnern und zelebrieren zu können oder gar dies tun zu müssen, um sich in einen glückseligeren Zustand zu befreien. So klingt auch kaum Angst vor dem 'Danach' aus irgendeinem der Verse. Vielmehr scheint es darum zu gehen, das Spiel von Leben und Tod einfach zu verstehen als das, was es ist und es als einen natürlichen Vorgang zu betrachten, dem man sich anvertrauen und sowieso nicht entziehen kann.

 

Zurück / Startseite Bild: W3C-HTML4.01 validiert Bild: W3C-CSS validiert