Wandere dahin und spiele in Samadhi遊戲 昧 = yóu xì sānmèi
von Chan-Meister Hóngzhì Zhēngjué (1091-1157)
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Der chinesische buddhistische Mönch Hóngzhì Zhēngjué (1091–1157) lebte in Südchina und wirkte dort als
buddhistischer Lehrer der Cáodòng/Sōtō Chan-/Zen-Tradition. Er wird gelegentlich auch nach dem Berg
Tiāntóng, auf dem er lebte, als Tiāntóng Zhēngjué (天童正覺; jap. Tendō Shōgaku) bezeichnet. Hóngzhì war
ein Schüler von Dānxiá Zichún (丹霞子淳, 1064–1117; jap. Tanka Shijun) und zahlreicher anderer Chan-Lehrer,
u.a. auch von Yuánwù Kèqín (圓悟克勤, 1063-1135; jap. Engo Kokugon), dem Autor der berühmten Sammlung von
Chan-Geschichten Aufzeichnungen vor smaragdener Felswand (Bìyán lù, 碧巖錄; jap. Hekiganroku). Hóngzhì selbst war ein bedeutender Lehrer und Schriftsteller. Sein berühmtestes Werk ist die Sammlung von Chan-Geschichten Aufzeichnungen aus der Klause der Gelassenheit (Cóngróng lù, 從容錄; jap. Shōyōroku). |
Quelle: Fozu zhengzong daoying, 1880, Holzschnitt, PD.: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tiantong_Hongzhi_Zhengjue_Zen.jpg. |
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Die hier vorgestellte Predigt von Hóngzhì Zhēngjué: Wandere dahin und spiele in Samadhi ist
die 8. von seinen 56 hinterlassenen Lehrreden oder Praxisanleitungen. Er beschreibt die
grundlegende Meditationspraxis der Cáodòng/Sōtō-Schulen. Aus der Sicht der vergleichenden
Religionswissenschaften hat diese Meditationsmethode eine große innere Verwandtschaft mit der
nichtdualen Vipassana-Meditation des Theravada und der Mahamudra-Meditation des tibetischen
Vajrayana. Hierauf hat insb. der chin. Gelehrte und Vajrayana-Lehrer
Chéngjī Zhāng, 张澄基, auch Garma C. C. Chang
hingewiesen. Auf Zhāng geht auch der Vorschlag zurück, die beiden Schriftzeichen 默照 = mò zhào
nicht wie in der jap. Sōtō-Tradition üblich mit Schweigende Erleuchtung zu übersetzen, sondern mit
Heiter-gelassenes Widerspiegeln - siehe sein großartiges Buch Mahamudra-Fibel, Octopus Verlag,
Wien 1979. Der Hintergrund dieses Vorschlags, dem ich mich hier anschließe, ist es, in der Meditation
den tief entspannten Frieden und das Halblächeln eines Buddha zu kultivieren, anstatt in einer
apathischen Stille zu versinken. Ich bin in der Mahamudra Fibel von Chang zum ersten Mal auch dem Gedicht von Hóngzhì zum Heiter-gelassenen Widerspiegeln begegnet (S. 25), und dies war dann der Hauptgrund für mich viele Jahre später das wunderbare Buch von Taigen Dan Leighton vom Englischen ins Deutsche zu übertragen: Taigen Dan Leighton, Das Kultivieren des Leeren Feldes, Kristkeitz Verlag, Heidelberg/Leimen, 2009. Leider hat der Kristkeitz-Verlag jetzt dieses Buch aus seinem Sortiment herausgenommen. Deshalb möchte ich mit dieser Neuübersetzung und Online-Publikation einer typischen Lehrrede von Hóngzhì auf der Grundlage des chin. Textes versuchen, den Lehrstil von Chan-Meister Hóngzhì Zhēngjué für interessierte Praktizierende exemplarisch zugänglich zu machen. |
Hóngzhì wurde geboren in einer Familie mit dem Namen Li im Kreis Xī Xiàn (隰县) in der nordchinesischen
Provinz Shānxī (山西). Hóngzhì war ein sehr intelligentes Kind. Mit sieben Jahren beherrschte er schon
einige tausend Schriftzeichen. Sein Vater Congdao war ein Laienschüler des Chan-Mönchs Desun, der wiederum
ein Schüler des Linji-Meisters Huanglong Huinan (1002–1069) war. Desun war sehr beeindruckt von dem jungen
Knaben und dies hatte wohl Einfluß auf die Entscheidung der Familie, daß der junge Hóngzhì bereits als
11-Jähriger Mönchsnovize wurde. Mit 18 Jahren ordinierte er zum buddhistischen Mönch mit dem
selbstgewählten Namen Zhēngjué (Wahres Erwachen) und begann bei dem Cáodòng-Chan Meister Kumu Facheng
(枯木法成, 1071-1128) zu studieren. Nach einigen Jahren bei Meister Kumu wanderte Hóngzhì weiter und
verbrachte einige Zeit bei verschiedenen Lehrern, bis er dann mit 23 Jahren Danxia Zichun
(丹霞子淳, 1054–1119) begegnete, der sein Hauptlehrer wurde. Im Jahr 1119 erhielt er von Danxia
unmittelbar vor dessen Tod das Siegel der Übertragung. In den Folgejahren wanderte Hóngzhì wieder von Kloster zu Kloster, wobei er auch den Chan-Meister Yuánwù Kèqín (圓悟克勤, 1063–1135; jap. Engo Kokugon) traf, den Autor der berühmten Sammlung von Chan-Geschichten Aufzeichnungen vor smaragdener Felswand (Bìyán lù, 碧巖錄; jap. Hekiganroku). Im Jahr 1129 wurde Hongzhi als Abt in das Jingde-Kloster auf dem Tiantong-Berg (Tiāntóngsì, 天童寺) berufen. Dieses Kloster war relativ klein und baufällig. Hóngzhì war mit der chinesischen Kultur ebenso umfassend vertraut wie mit der Chan-Tradition und so zogen seine Lehrreden viele Mönche, Laienpraktizierende und Förderer an. Im Laufe der Jahre konnten Hóngzhìs Schüler das Jingde-Kloster sanieren und ausbauen, so daß es schließlich Platz für 1200 Mönche bot. Trotz zahlreicher Einladungen verließ Hóngzhì sein Bergkloster 30 Jahre lang nicht. Kurz vor seinem Tod unternahm er eine kleine Reise, um sich bei seinen wichtigsten Förderern zu bedanken und zu verabschieden. Am 10. November 1157 kehrte Hóngzhì in sein Kloster zurück und am 11. November hielt er seinen Mönchen eine Abschiedsrede in der Dharmahalle des Klosters und verschied anschließend in der Meditationshaltung sitzend. Sechs Monate später verlieh ihm der Kaiser den posthumen Ehrentitel Hóngzhì Chánshī (禪師, Chan-Meister Weite Weisheit). Aber Hóngzhì wurde für seine Meditation des mò zhào chán (默照禪; jap. moku shō zen), des Heiter-gelassenen Widerspiegelns (oder der Schweigenden Erleuchtung) auch heftig von Dàhuì Zōnggǎo (大慧宗杲, 1089-1163; jap. Daie Sōkō), einem Schüler des Linji-Meisters Yuánwù Kèqín (圓悟克勤, 1063–1135; jap. Engo Kokugon) kritisiert, der dieser Cáodòng-Meditation vorwarf, daß die Übenden hier häufig nur in einer apathischen Stille versinken würden. Eines Tages ließ Dàhuì Zōnggǎo, in einem Anfall religiösen Radikalismuses, alle gedruckten Exemplare plus aller Druckstöcke des großen Werkes Bìyán lù seines Lehrers Yuánwù Kèqín verbrennen. Zu unserem Glück haben doch noch einige wenige Exemplare überlebt :-) Daraufhin war die Antwort von Hóngzhì Zhēngjué, daß er seine eigene Sammlung von Chan-Geschichten geschrieben und publiziert hat, das große Werk: Aufzeichnungen aus der Klause der Gelassenheit (Cóngróng lù, 從容錄; jap. Shōyōroku). Das erste und das letzte Beispiel des Cóngróng lù sollen hier als schöne Beispiele für Hóngzhìs Denken und Schreiben zitert werden (D. Roloff, Cong-Rong-Lu, 2008):
Dietrich Roloff hat dankenswerte Weise in seinem selbst publizierten Buch Zen - "Der Duft Hunderter von Blumen" alle 56 Prdigten von Hóngzhì übersetzt und auf seine kundige Weise auch kommentiert, so daß wir einen Ersatz für die von Kristkeitz eingestellte Auflage des schönen Buches von Taigen Dan Leighton haben. Quellen: 1. Wikipedia-Artikel zu Hongzhi Zhengjue (vom Autor dieses Beitrags erstellt). 2. Taigen Dan Leighton, Das Kultivieren des Leeren Feldes; Kristkeitz Verlag, Heidelberg/Leimen, 2009. 3. D. Roloff, Zen - "Der Duft Hunderter von Blumen", Books on Demand, Norderstedt, 2019. 4. D. Roloff, Cong-Rong-Lu, Aufzeichnungen aus der Klause der Gelassenheit; Windpferd Verlag, Oberstdorf, 2008; 5. D. Roloff, Bi-Yan-Lu, Aufzeichnungen vor smaragdener Feldwand; Windpferd Verlag, Oberstdorf, 2013. 5. Wilhelm Gundert: Bi-Yän-Lu, Niederschrift von der Smaragdenen Felswand; Carl Hanser Verlag, München, 1960; Lizenzausgabe für den Verlag Ullstein, Frankfurt a. M., 1983. Ergänzend möchte ich alle Hóngzhì-Freundinnen und -Freunde auf die folgende schöne Dissertation zur Dichtung von Hóngzhì aufmerksam machen: Christopher Byrne, Poetics of Silence: Hongzhi Zhengjue (1091-1157) and the Practice of Poetry in Song Dynasty Chan Yulu, Doktorarbeit am Department of East Asian Studies McGill University, Montreal, May 2015: Christopher Byrne, Poetics of Silence: Hongzhi Zhengjue. |
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Hóngzhì verabschiedete sich von seinen Schülern mit dem folgenden Sterbegedicht:
Mit einer tiefen Verbeugung: M.B. Schiekel, Ulm, 2024. |
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