Die Legenden der 84 Mahasiddhas -
Die Leben der Meister des Tantra.

Abhayadatta, Übers.: Keith Dowman: & Bhaga Tulku Pema Tenzin,
illustriert von Robert Beer,
Aus dem Englischen übersetzt von Jürgen Saupe.


ISBN: 978-3-942380-35-5, 30.€
© 2023, Wandel Verlag Berlin - edition khordong


Rezension: Ursache\Wirkung, Nr. 126, 2023, S.96.
©opyright 2023, \Ursache\Wirkung und M.B. Schiekel.
Veröffentlichung hier mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift Ursache\Wirkung.

 
'Sabbe dhamma anicca', mahnt der Buddha, 'alle Dinge sind vergänglich'. Das bedeutet zugleich: 'Alle sind Dinge veränderbar'. Deshalb hat das Buddha-Dhamma das Potential, die geistige Erstarrung zu überwinden und sich dem sozio-kulturellen Wandel evolutionär anzupassen. Dies erleben wir gerade beim Entstehen eines westlichen Buddhismus, der versucht, europäischen Humanismus und moderne Naturwissenschaften zu integrieren.

Ein historisch schönes Beispiel für die dem Buddhismus innewohnende Innovationkraft ist die Entstehung des buddhistischen Tantra etwa im 5. Jh. in Bengalen. Zu dieser Zeit befand sich in Nālandā, im heutigen Bundesstaat Bihar, die größte buddhistische Kloster-Universität Indiens mit zeitweise 1.000 Gelehrten.

Historisch betrachtet, haben große monastische Einrichtungen bei ihren Mitgliedern immer wieder zu Dünkel und anderen psychologisch problematischen Erscheinungen geführt. Als eine Gegenreaktion entstand die tantrische Bewegung, die von wandernden Laien-Yogis und -Yoginis, sog. Siddhas, getragen wurde und Menschen aller sozialer Schichten umfasste.

Der tantrische Ansatz ist es, die Geistesgifte nicht zu unterdrücken, sondern sie zu erkennen und ihre starken Energien zur geistigen Befreiung zu nutzen. So können alle menschlichen Erfahrungen in den spirituellen Weg integriert werden, ob dies nun eine gelebte Sexualität war oder eine schwere Krankheit ist.
Zentral für die Siddhas war ihre existentielle Freiheit und die direkte Konfrontation mit allen inneren Hindernissen wie etwa Ängsten, Zorn, Begierde. Als Hilfsmittel dienten Visualisierungen und eine intensive Mantra-Praxis.

Im 12. Jh. schrieb der indische Gelehrte Abhayadatta Sri die Hagiographien von 84 Mahasiddhas als Archetypen tantrischer Lebenswege auf, kurz bevor der Buddhismus in Indien seinen Niedergang erlebte. Die tantrische Tradition überlebte in den tibetischen Nyingma- und Kagyu-Schulen bis heute.

Keith Dowman, ein bekannter Tibetisch-Übersetzer, gibt zunächst eine gute und umfangreiche Einführung in die Welt des indischen Tantra. Im Hauptteil des Buches veröffentlicht er 54 Geschichten, die er aus dem Tibetischen sehr lebendig übersetzt hat. Dazu kommen die außergewöhnlichen Illustrationen von Robert Beer, die auf ihre Weise die große Freiheit und Kreativität des Tantra ausdrücken.

Dieses wunderbare Buch war lange vergriffen, jetzt ist es wieder da – welche Freude.

 

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