Nāropa
Nāropa (ནཱ་རོ་པ་) (956–1041)

Bildquelle: (CC BY-SA 3.0)
http://en.wikipedia.org/wiki/File:Mahasiddha_Naropa.jpg
 
 

Marpa
Marpa (མར་པ་) (1012–1097)

Bildquelle: (CC BY 2.5)
http://en.wikipedia.org/wiki/File:Marpa_painting_Holy_isle.jpg
painting on Holy Isle, Firth of Clyde,
picture from Sarah Lionheart.

 

Nāropa / Maitripa:
Mahāmudrā in Kürze

Sanskrit-Titel: Mahāmudrā saṃcita
Tibetisch-Titel: Phyag-rgya chen-po tshig-bsdus pa
 

Deutsche Übertragung der tibetisch-englischen Übersetzungen von
Nicole Riggs und Peter Alan Roberts durch
Munish B. Schiekel.

©opyright der hier publizierten Tibetisch-Englisch Übersetzung und Kommentare: 2011, Peter Alan Roberts.

©opyright der deutschen Übertragung: Ulm, 2011,
Munish B. Schiekel (mb.schiekel_äd_arcor.de).
Aktuelle Version: 1.05 vom 14.06.2011.

Dieser Text steht der Allgemeinheit zur Verfügung. Eine Verwertung in Publikationen, die über übliche Zitate hinausgeht, bedarf der ausdrücklichen Genehmigung der Übersetzer.

Danksagung:

1. Ein herzlicher Dank geht an Nicole Riggs, die Ihre Tibetisch-Englisch Übersetzung dieses Mahāmudrā-Textes auf der Homepage von Keith Dowman veröffentlicht und für nichtkommerzielle Nutzung freigegeben hat.
2. Ein herzlicher Dank geht an Peter Alan Roberts, der seine Tibetisch-Englisch Übersetzung und Kommentare für diese Veröffentlichung freigegeben und freundlich und geduldig alle Fragen beantwortet hat.
3. Und ein ganz herzlicher Dank geht an meinen Freund Kansei M. Nisch, der mich auf die Übersetzung von Peter Alan Roberts aufmerksam gemacht und den Kontakt zu Peter hergestellt hat. Insbesondere hat Kansei auch die mühevolle Arbeit auf sich genommen, aus der Fotokopie des tibetischen Manuskripts in Uchen-Schrift eine computerlesbare Version im Unicode-Zeichensatz zu erstellen, was mir den erforderlichen Zugang zu Tibetisch-Englisch Internet-Lexika eröffnet hat.
 
Ulm, Mai 2011, M.B.S.

  1. deutsche Übertragung der Tibetisch-Englisch Übersetzung von Nicole Riggs,
  2. deutsche Übertragung der Tibetisch-Englisch Übersetzung von Peter Alan Roberts,
  3. ein tibetischer Quelltext mit Übersetzung und Kommentaren von Peter Alan Roberts,
  4. tibetische Quelltexte in Uchen-Schrift (dbu-chen) und Umê-Schrift (dbu-med).
  5. Zur Person von Peter Alan Roberts.
  6. Einige Gedanken zum frühen Mahāmudrā.

 

A.  Maitripa: Die Essenz von Mahāmudrā
 
Verehrung der innersten Glückseligkeit!
 
Wenn ich Mahāmudrā erklären sollte, so würde ich sagen -
alle Erscheinungen? Dein eigener Geist!
Wenn du im Außen nach einem Sinn suchst, wirst du verwirrt.
Erscheinungen gleichen einem Traum, sie sind leer von einer wahren Natur.
 
Der Geist ist einzig ein Fluß des Bewußtseins,
keine Selbstnatur: einfach ein Energiefluß,
keine wahre Natur: einfach wie der Raum.
Alle Erscheinungen sind so, himmelsgleich.
 
Das ist Mahāmudrā, wie wir es nennen.
Es hat keine Identität, die gezeigt werden kann;
daher ist die Natur des Geistes selbst
gerade jener Zustand der Mahāmudrā
(weder gemacht noch sich wandelnd).
Wenn du diese grundlegende Wirklichkeit tief verstehst,
dann erkennst du alles was kommt und geht als Mahāmudrā,
den alldurchdringenden Dharmakāya.
 
Ruhe in der wahren Natur, frei von allem Erdenken.
Meditiere, ohne nach dem Dharmakāya zu suchen —
er ist jenseits von Gedanken.
Wenn dein Geist sucht, verwirrt sich deine Meditation.
 
Es ist wie der Raum, oder wie eine magische Vorführung,
da gibt es weder Meditation, noch Nicht-Meditation,
wie könntest du getrennt sein, oder vereint?
Ein Yogi sieht dies So!
 
Bist du aller heilsamen und unheilsamen Dinge
als der grundlegenden Wirklichkeit gewahr,
dann findest du Befreiung.
Neurotische Emotionen sind (die Basis) große(r) Einsicht,
wie Holz für ein Feuer, so sind sie für den Yogi Brennstoff!
 
Was sollen die Worte „Kommen oder Verweilen“?
Oder „Meditieren“ in Einsamkeit?
Wenn du dies nicht verstehst,
so kannst du dich nur oberflächlich befreien.
 
Doch wenn du verstehst, was könnte dich fesseln?
Verweile in einem unzerstreuten Zustand.
Körper und Geist auszurichten führt nicht zur Meditation,
und das Anwenden von Techniken ebensowenig.
 
Schau, nichts wird letztlich erreicht.
Versteh, alles Erscheinende hat kein inhärente Natur.
Die wahrgenommenen Erscheinungen:
     der Bereich der Wirklichkeit, aus sich selbst heraus befreit.
Die wahrnehmenden Gedanken:
     offene Achtsamkeit, aus sich selbst heraus befreit.
Nicht-Dualität, Einheit [von Subjekt und Objekt]:
     der Dharmakāya.
 
Wie ein unablässig fließender, weiter Strom,
welche Welle auch immer, sie enthält die Bedeutung,
sie ist der zeitlose, erwachte Zustand —
Große Glückseligkeit ohne jeden samsarischen Bezug.
 
Alle Erscheinungen sind leer von einer inhärenten Natur,
der Geist, der sich an die Leerheit hält,
verschmilzt mit seinem eigenen Grund.
Freiheit von allem Konzeptualisieren
ist der Pfad aller Buddhas.
 
Ich habe diese Zeilen zusammengestellt,
auf daß sie bis in kommende Zeiten fortwirken mögen.
Mögen durch diese Tugend alle Wesen ohne Ausnahme
in dem erhabenen Zustand von Mahāmudrā verweilen.
 
     Colophon:
     Dies ist Maitripas 'Essentielle Mahāmudrā Anweisung'
     (auf tibetisch: Phyag rgya chen po tshig bsdus pa),
     so wie sie der tibetische Übersetzer Marpa Chökyi Lodrö
     von Maitripa selbst erhalten und übersetzt hat.
 
 
Die Tibetisch-Englisch Übersetzung von Nicole Riggs findet sich auf:
    http://www.keithdowman.net/guestpage/maitripa.htm
© Tibetan-English Translation by Nicole Riggs 1999.
Reproduction welcome if not for profit and with full acknowledgement.
© Deutsch-Übertragung von M.B. Schiekel, 2011.
Weitergabe auf Non-Profit Basis und mit vollen Quellenangaben erlaubt.
 

 

B.  Nāropa: Mahāmudrā in Kürze
 
Ich verbeuge mich vor der Großen Glückseligkeit
und werde Mahāmudrā erläutern.
 
Alle Erscheinungen sind dein eigener Geist;
die Wahrnehmung äußerer Objekte ist eine Gestaltung des Geistes;
wie ein Traum sind sie leer von einer wahren Natur.
 
Auch der Geist ist nur ein Fluß von Wahrnehmungen und Gedanken,
er ist ohne eine wahre Natur, [wie] die Kraft des Windes,
er ist leer von einem Selbst, wie der Himmelsraum.
Alle Erscheinungen sind so, gleichen dem Himmelsraum.
 
Das, was Mahāmudrā genannt wird,
sein Wesen kann nicht gelehrt werden.
Daher ist die unwandelbare Natur des Geistes
die Natur von Mahāmudrā.
 
Wenn jemand diese Wirklichkeit erkennt,
dann sind alle Erscheinungen Mahāmudrā,
der große, alldurchdringende Dharmakāya.
 
Ruhe natürlich in unausgedachter Gelassenheit.
Der Dharmakāya ist jenseits aller Vorstellungen.
Meditiere, indem du ruhst ohne zu suchen.
Ein Suchen in der Meditation ist ein verwirrter Geist.
 
Da gibt es weder Meditation noch Nicht-Meditation,
einfach nur magische Erscheinungen im Himmelsraum,
wie könnte es also Freiheit oder Nicht-Freiheit geben?
 
Der Yogi, der das erkennt
wird durch dieses Verstehen
vom Karma aller heilsamen und unheilsamen Handlungen befreit.
 
Die Verunreinigungen sind (die Basis) große(r) Weisheiten,
sie sind, gleich dem Feuer im Wald, die Begleiter des Yogi.
 
Wo kann es dort ein Gehen und Verweilen geben?
Was kann es für eine Meditation in der Zurückgezogenheit geben?
Wer dies nicht verwirklicht,
erfährt noch nicht einmal oberflächliche Befreiung.
 
Was kann jemanden binden, der dies verwirklicht hat?
Das unzerstreute Verweilen in jenem Zustand,
ohne Veränderung von Körper oder Geist und ohne Meditation,
'Weder ruhend noch nicht-ruhend in Gleichmut'.
 
Nichts hat eine Wirklichkeit in Diesem.
Erscheinungen befreien sich aus sich selbst heraus (ganz natürlich),
sie sind der Dharmadhātu,
Verwirklichung befreit sich aus sich selbst heraus (ganz natürlich),
sie ist die große Weisheit,
diese immergleiche Nicht-Dualität ist der Dharmakāya.
 
So wie das unablässige Fließen eines großen Stromes,
der zugleich doch verweilt, so enthält er die Bedeutung,
er ist immer die Buddhaschaft,
ohne Objekte des Saṃsāra; er ist die große Glückseligkeit.
 
Alle Phänomene sind leer von einem eigenen Selbst;
der Verstand, der Leerheit versteht, wird spontan geläutert;
im konzeptfreien Geist gibt es nichts zu tun.
Dies ist der Pfad aller Buddhas.
 
Für jene karmisch besonders Begünstigten
habe ich diese essentielle Lehre zusammengefaßt.
Mögen dadurch alle Wesen ohne Ausnahme
in Mahāmudrā verweilen.
 
      Dies wurde vom großen Pandit Nāropa in Pullahari gesprochen,
      in der Gegenwart von Marpa Chökyi Lodrö und auf dessen Bitte hin.
 
           Śudham astu sarva-jagataṃ
           Mögen alle Wesen geläutert werden!
 
 
© Tibetan-English Translation by Peter Alan Roberts.
© Deutsch-Übertragung von M.B. Schiekel, 2011.

 

C. 

ཕྱག་རྒྱ་ཆེན་པོ འི་ཚིག་བསྡུས་པ་བཞུགས་སོ།
Mahāmudrā in Brief 1
Mahāmudrā in Kürze

  1. །བདེ་ཆེན་ངང་ལ་ཕྱག་འཚལ་ལོ།
    I pay homage to the state of great bliss
    Ich verbeuge mich vor der Großen Glückseligkeit
     
  2. །ཕྱག་རྒྱ་ཆེན་པོར་བརྗོད་བྱ་བ།
    And I shall describe the mahāmudrā.
    und werde Mahāmudrā erläutern.
     
  3. །ཆོས་རྣམས་ཐམས་ཅད་རང་གི་སེམས།
    All phenomena are ones own mind;
    Alle Erscheinungen sind dein eigener Geist;
     
  4. །ཕྱི་རོལ་དོན་མཐོང་འཁྲུལ་པའི་བློ།
    Seeing outer objects is the delusion of the mind;
    die Wahrnehmung äußerer Objekte ist eine Gestaltung des Geistes;
     
  5. །རྨི་ལམ་བཞིན་ཏེ་ངོ་བོ་སྟོང་།
    Like a dream they are empty of essence.
    wie ein Traum sind sie leer von einer wahren Natur.
     
  6. སེམས་ཀྱང་དྲན་རིག་འགྱུ་བ་ཙམ།
    The mind also is just the movement of memory and cognition 2
    Auch der Geist ist nur ein Fluß von Wahrnehmungen und Gedanken,
     
  7. །རང་བཞིན་མེད་དེ་རླུང་གི་རྩལ།
    Without a real nature, [like] the power of the wind 3
    er ist ohne eine wahre Natur, [wie] die Kraft des Windes,
     
  8. །ངོ་བོས་སྟོང་པ་ནམ་མཁའ་འདྲ།
    It is as empty of essence as space.
    er ist leer von einem Selbst, wie der Himmelsraum.
     
  9. །ཆོས་ཀུན་མཁའ་འདྲ་མཉམ་གནས་པའོ།
    All phenomena are equal, like space;
    Alle Erscheinungen sind so, gleichen dem Himmelsraum.
     
  10. ཕྱག་རྒྱ་ཆེན་ཞེས་བརྗོད་པ་ནི།།
    That which is called the mahāmudrā,
    Das, was Mahāmudrā genannt wird,
     
  11. ༄༅། །རང་གི་ངོ་བོས་བསྟན་དུ་མེད།
    its essence can’t be taught.
    sein Wesen kann nicht gelehrt werden.
     
  12. །དེ་ཕྱིར་སེམས་ཀྱི་དེ་བཞིན་ཉིད།
    Therefore the nature of the mind does not change or alter
    Daher ist die unwandelbare Natur des Geistes
     
  13. །ཕྱག་རྒྱ་ཆེན་པོའི ་ངང་ཉིད་དོ།
    from the nature of mahāmudrā. 4
    die Natur von Mahāmudrā.
     
  14. །གང་གིས་དེ་ཉིད་མཐོང་རྟོགས་ན།
    If anyone truly realises the truth 5
    Wenn jemand diese Wirklichkeit erkennt,
     
  15. །སྣང་སྲིད་ཐམས་ཅད་ཕྱག་རྒྱ་ཆེ།
    all appearance and existence will be the mahāmudrā,
    dann sind alle Erscheinungen Mahāmudrā,
     
  16. །ཆོས་སྐུ་ཁྱབ་གདལ་ཆེན་པོར་བས།
    The great, all-pervading dharmakāya.
    der große, alldurchdringende Dharmakāya.
     
  17. །རང་བཞིན་མ་བཅོས་ལྷུག་པར་བཞག
    Rest in naturalness, the uncontrived nature.
    Ruhe natürlich in unausgedachter Gelassenheit.
     
  18. །བསམ་དུ་མེད་པ་ཆོས་ཀྱི་སྐུ།
    The dharmakāya cannot be thought of;
    Der Dharmakāya ist jenseits aller Vorstellungen;
     
  19. །མ་བཙལ་བཞག་ན་སྒོམ་པ་སྟེ།
    Meditate by resting without seeking.
    Meditiere, indem du ruhst ohne zu suchen.
     
  20. །བཙལ་ཞིང་སྒོམ་པ་འཁྲུལ་པའི་བློ།
    Meditating by seeking is the deluded mind.
    Ein Suchen in der Meditation ist ein verwirrter Geist.
     
  21. །མཁའ་དང་ཆོ་འཕྲུལ་ཇི་ལྟ་བར།
    Just like manifestations in space,
    Einfach nur magische Erscheinungen im Himmelsraum,
     
  22. །བསྒོམ་དང་མི་སྒོམ་གཉིས་མེད་པས།
    There is neither meditation nor non-meditation,
    da gibt es weder Meditation noch Nicht-Meditation,
     
  23. །བྲལ་དང་མ་བྲལ་ག་ལ་ཡོད།
    So how can there be freedom or non-freedom?
    wie könnte es also Freiheit oder Nicht-Freiheit geben?
     
  24. །རྣལ་འབྱོར་པས་ནི་དེ་ལྟར་རྟོགས།
    The yogin who has that realisation,
    Der Yogi, der das erkennt,
     
  25. །དགེ་དང་སྡིག་པའི་ལས་རྣམས་ཀུན།
    the karma of all good and bad actions,
    vom Karma aller heilsamen und unheilsamen Handlungen,
     
  26. །དེ་ཉིད་ཤེས་པས་གྲོལ་བར་འགྱུར།
    through knowing this, will be liberated from 6
    durch dieses Verstehen, wird er befreit.
     
  27. །ཉོན་མོངས་ཡེ་ཤེས་ཆེན་པོ་སྟེ།
    The defilements are great wisdoms;
    Die Verunreinigungen sind (die Basis) große(r) Weisheiten,
     
  28. །ནགས་ལ་མེ་བཞིན་རྣལ་འབྱོར་གྲོགས།
    Like a fire in the forest, they are the yogin’s companion. 7
    gleich dem Feuer im Wald sind sie die Begleiter des Yogi.
     
  29. །འགྲོ་དང་འདུག་དུས་ག་ལ་ཡོད།།
    Where can there be a going and staying?
    Wo kann es dort ein Gehen und Verweilen geben?
     
  30. དགོན་པར་ཕྱིན་ན་བསམ་གཏན་ཅི།
    Residing in the hermitage, what meditation can there be?
    Was kann es für eine Meditation in der Zurückgezogenheit geben?
     
  31. །དེ་ཉིད་མ་རྟོགས་གང་གིས་ཀྱང་།
    One who does not realise that,
    Wer dies nicht verwirklicht,
     
  32. །གནས་སྐབས་ཙམ་ལས་གྲོལ་མི་འགྱུར།
    Will not be liberated even from the temporary.
    erfährt noch nicht einmal oberflächliche Befreiung.
     
  33. །དེ་ཉིད་རྟོགས་ན་གང་གིས་འཆིང་།
    What could bind one who has realised that?
    Was kann jemanden binden, der dies verwirklicht hat?
     
  34. །ངང་ལ་མ་ཡེངས་གནས་པ་ལས།
    Dwelling, undistracted, within that state,
    Das unzerstreute Verweilen in jenem Zustand,
     
  35. །མཉམ་པར་གཞག་དང་མ་གཞག་ཅེས།
    ‘Neither resting nor not resting in equanimity’;
    'Weder ruhend noch nicht-ruhend in Gleichmut';
     
  36. །གཉེན་པོས་བཅོས་ཤིང་བསྒོམ་དུ་མེད།
    There will be no alteration of body or speech and no meditation. 8
    da gibt es keine Veränderung von Körper oder Geist und keine Meditation.
     
  37. །འདི་ལ་གང་ཡང་མ་གྲུབ་སྟེ།
    Nothing has any reality within this.
    Nichts hat eine Wirklichkeit in Diesem.
     
  38. །སྣང་བ་རང་གྲོལ་ཆོས་ཀྱི་དབྱིངས།
    Appearances are self liberating, are the dharmadhātu,
    Erscheinungen befreien sich aus sich selbst heraus (ganz natürlich),
    sie sind der Dharmadhātu,
     
  39. །རྟོག་པ་རང་གྲོལ་ཡེ་ཤེས་ཆེ།
    Realisation is self-liberated, is great wisdom,
    Verwirklichung befreit sich aus sich selbst heraus (ganz natürlich),
    sie ist die große Weisheit,
     
  40. །གཉིས་མེད་མཉམ་པ་ཆོས་ཀྱི་སྐུའོ།
    The equal non-duality is the dharmakāya.
    die immergleiche Nicht-Dualität ist der Dharmakāya.
     
  41. །ཆུ་བོ་ཆེན་པོའ་རྒྱུན་འབབ་ལྟར།
    Like the continuous flow of a great river,
    So wie das unablässige Fließen eines großen Stromes,
     
  42. །ཇི་ལྟར་སྤྱད་ཀྱང་དོན་དང་ལྡན།
    However it abides, it has meaning 9
    der zugleich doch verweilt, so enthält er die Bedeutung,
     
  43. །འདི་ནི་རྟག་ཏུ་སངས་རྒྱས་ཉིད།
    It is always buddhahood;
    er ist immer die Buddhaschaft;
     
  44. །འཁོར་བ་ཡུལ་མེད་བདེ་བ་ཆེའོ།
    Without the objects of saṃsāra, it is great bliss.
    ohne Objekte des Saṃsāra; er ist die große Glückseligkeit.
     
  45. །ཆོས་རྣམས་རང་རང་ངོ་བོས་སྟོང་།
    All phenomena are devoid of their own essences;
    Alle Phänomene sind leer von einem eigenen Selbst;
     
  46. །སྟོང་པར་འཛིན་བློ་རང་སར་དག
    The intellect that grasps emptiness becomes spontaneously purified;
    Der Verstand der Leerheit versteht, wird spontan geläutert;
     
  47. །བློ་བྲལ་ཡིད་ལ་མི་བྱེད་པ།
    In the intellect-free mind, there is nothing to be done.
    im konzeptfreien Geist gibt es nichts zu tun.
     
  48. །འདི་ནི་སངས་རྒྱས་ཀུན་གྱི་ལམ།
    This is the path of all the buddhas.
    Dies ist der Pfad aller Buddhas.
     
  49. །སྐལ་བ་རབ་ཏུ་གྱུར་པ་ལ།
    For those who are perfectly worthy,
    Für jene karmisch besonders Begünstigten
     
  50. །བདག་གིས་སྙིང་གཏམ་ཚིག་ཏུ་བསྡེབས།
    I have summarised this essential teaching. 10
    habe ich diese essentielle Lehre zusammengefaßt.
     
  51. །འདི་ཡིས་འགྲོ་བ་མ་ལུས་པ།
    Through this, may all beings, without exception
    Mögen dadurch alle Wesen ohne Ausnahme
     
  52. །ཕྱག་རྒྱ་ཆེ་ལ་གནས་པར་ཤོག
    reside in the Mahāmudrā. 11
    in Mahāmudrā verweilen.
     
      །མཁས་པ་ཆེན་པོ་ནཱ་རོ་པའི་ཞལ་སྔ་ནས་མར་པ་ ཆོས་ཀྱི་བློ་གྲོས་ལ་པུཥྶ་ཧ་རིར་གནང་བའོ།
      This was spoken by the great Pandit Nāropa
      in the presence of Marpa Chökyi Lodrö, granted at Pullahari.
      Dies wurde vom großen Pandit Nāropa in Pullahari gesprochen,
      in der Gegenwart von Marpa Chökyi Lodrö und auf dessen Bitte hin.
 
སུ་དྷཾ་མསྟུ་སརྦ་ཛྰ་ག་ཏཾ།
Śudham astu sarva-jagataṃ
May all beings be purified!
Mögen alle Wesen geläutert werden!
 
 
© Tibetan-English Translation with notes by Peter Alan Roberts.
© Deutsch-Übertragung von M.B. Schiekel, 2011.
 
Der tibetische Satz in Unicode auf der Basis des unten angefügten tibetischen Manuskripts in Uchen-Schrift (dbu-chen) wurde von K.M. Nisch besorgt. Gewisse kleinere Abweichungen der englischen Übersetzung von Roberts von dem hier wiedergegebenen tibetischen Text rühren daher, daß sich Roberts auch auf das ebenfalls unten angefügte tibetische Manuskript in Umê-Schrift (dbu-med) mit seinen Kommentaren und auf mündliche Erläuterungen von Mingyur Rinpoche gestützt hat.
 

1 There are several editions of this text, written in dbu-chen and dbu-med. Some of them attribute the text to Maitripa. Earlier editions, though, particular one by the great Jamgon Kongtrul, attribute the text to Nāropa. One copy of the text in dbu-med, with annotations, clearly identifies the text in the title as by Nāropa. The title for the dbu-med version is mahāmudrā'i tshig bsdus pa dpal nāropas mdzad pa'o (with the annotation) snyan gyi shog ril (the scroll of sNyan). This edition can be found in the collection called Phyag chen rgya gzhung "Indian Mahāmudrā Texts". Another version in dbu-chen of the text is from nges don phyag rgya chen po'i khrid mdzod "Treasury of Mahāmudrā Instructions" says it was taught by Nāropa to Marpa in Pullahari. None of these editions are in the canon, surprisingly, and were not even included within Situ's Derge Tengyur in the 18th century. This is one of the extra-canonical works. In the Rumtek collection of eight dohās it was mistakenly said to be by Maitripa. The dbu-med one is probably the more correct one, but there will have been many dbu-med manuscripts too, and the variations of spelling one finds in the dbu-chen texts are often from misreadings of the dbu-med. It is hard to get two handwritten manuscripts that are identical.
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Es gibt verschiedene Versionen dieses Textes, sowohl in der Uchen-Schrift (dbu-chen), wie auch in der Umê-Schrift (dbu-med). Einige Versionen nennen als Autor Maitripa. Doch ältere Versionen, insbesondere eine aus dem Besitz des großen Jamgon Kongtrul, ordnen den Text Nāropa zu. Eine Kopie mit Kommentar in Umê (dbu-med) identifiziert den Autor des Textes im Titel eindeutig als Nāropa. Der Titel lautet dort: mahāmudrā'i tshig bsdus pa dpal nāropas mdzad pa'o (mit Kommentar) snyan gyi shog ril (Schriftrolle von sNyan). Diese Version findet sich in der Sammlung: Phyag chen rgya gzhung "Indische Mahāmudrā Texte". Eine andere Version des Textes in Uchen (dbu-chen) aus der Sammlung nges don phyag rgya chen po'i khrid mdzod "Schatz der Mahāmudrā Erläuterungen" sagt, daß dieser Text von Nāropa in Pullahari an Marpa übertragen wurde.
Überraschenderweise findet sich keine dieser Textversionen im tibetischen Kanon, selbst nicht in Situ Rinpoches Derge Tengyur aus dem 18. Jahrhundert. Es handelt sich also um ein außerkanonisches Werk. In der Rumtek Sammlung der acht Dohās wird der Text fälschlicherweise Maitripa zugeschrieben. Die Umê-Version (dbu-med) ist wahrscheinlich die korrektere, aber es wird wohl viele Umê-Kopien (dbu-med) gegeben haben und die Variationen in den Uchen-Texten (dbu-chen) sind häufig Lesefehler der Umê-Vorlagen (dbu-med). Es ist schwierig, zwei handgeschriebene Manuskripte zu finden, die identisch sind.
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2 དྲན་རིག་ dran-rig appears to be a translation of a term like cetanā, just meaning mentation or cognition and not actually a blend of mindfulness and awareness.
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དྲན་རིག་ dran-rig scheint eine Übersetzung eines Ausdruckes wie cetanā zu sein, in der Bedeutung von geistiger Aktivität oder Wahrnehmung und in diesem Zusammenhang nicht eine Art von Gewahrsein und Achtsamkeit.
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3 རླུང་ rlung. The wind here is the vayū as in the tantric physiognomy, so it actually is that energy or power, whether the original was in singular or plural is a guess.
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རླུང་ rlung. Unter 'Wind' ist hier vayū gemeint, also die 'Energie' oder 'Kraft' der tantrischen Physiognomie. Ob dies im Original im Singular oder Plural stand ist offen.
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4 There is nothing about alter or change, it's just saying that the nature of mind is the nature or essence of mahamudra.
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Es gibt hier keinen Wandel oder eine Veränderung; die Zeile sagt einfach, daß die Natur des Geistes die Natur, bzw. das Wesen von Mahāmudrā ist.
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5 Presuming that de nyid is Tibetan for tattva, which means the truth or the true nature or in an overliteral translation that-ness. For example it is de bzhin nyid for tathātva, which is literally thus-ness, but is usually translated from Sanskrit into English as something like the true nature, the actual nature or condition and so on. The repeated de nyid here is probably not just an emphasized that.
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Hier wird angenommen, daß das tibetische de nyid für das Sanskrit tattva steht, also für 'Wahrheit' oder die 'wahre Natur', oder in einer wortwörtlichen Übersetzung für So-heit. Zum Beispiel bezeichnet de bzhin nyid das Sanskrit tathātva, also wörtlich 'Soheit', was häufig ins Englische als 'wahre Natur', 'eigentliche Natur', usw., übersetzt wird. Das hier wiederholte de nyid ist vermutlich nicht nur eine Betonung des 'So'.
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6 The syntax should be arranged, as in earlier lines, to fit English, so "... liberated from." would go in the middle. "The yogin who has that realisation, through knowing this, will be liberated from the karma of all good and bad actions."
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Hier sollte, ähnlich wie schon in früheren Zeilen, die Syntax etwas dem Deutschen angepaßt werden, also: "Der Yogi mit dieser Verwirklichung wird durch dieses Verstehen vom Karma aller heilsamen und unheilsamen Handlungen befreit."
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7 The meaning there is less a companion than a helper or an aid. It refers to the fire burning up the entire forest.
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Die Bedeutung ist weniger 'ein Begleiter', als vielmehr ein 'Helfer' oder eine 'Hilfe'. Dies bezieht sich auf das Feuer, das den ganzen Wald niederbrennt.
[Anm. dt. Übers.: den Wald der Illusionen.]
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8 Here the sentences had been blended in the translation I did, I don't see any body or speech, gnyen pos bcos, just means to correct with a remedy so: there is not correcting with a remedy and no meditation "resting and not resting" is in quotes as it were with ces, so the negative might cover them all, there is no "Resting and not resting" no correcting with a remedy and no meditation. In the dbu-med version it is ngang las ma yengs gnas pa la [not las] / lus ngag bcos shing sgom du-med / nyam par bzhag [not gzah] dang ma bzhag ces / 'di la gang yang grub pa med /. Which is quite different, and perhaps in Halifax we were following this version?
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Hier sind die Sätze in meiner Übersetzung überlagert. "Ich sehe keinen Körper oder Sprache", gnyen pos bcos, bedeutet ausführlicher "Ich sehe keinen Körper oder Sprache, die mit einem Hilfsmittel verbessert werden könnten", also: es gibt keine Verbesserung mit einem Hilfsmittel und keine Meditation "ruhend oder nicht-ruhend", was hier in Anführungszeichen gesetzt wurde, wie bei ces, so daß die Negation alle drei Punkte umfaßt -
kein "ruhend oder nicht-ruhend", keine Verbesserung mit einem Hilfsmittel, keine Meditation. In der Umê-Version (dbu-med) heißt es: ngang las ma yengs gnas pa la [nicht las] / lus ngag bcos shing sgom du-med / nyam par bzhag [nicht gzah] dang ma bzhag ces / 'di la gang yang grub pa med /. Und das ist durchaus etwas anderes - vielleicht folgen wir hier in Halifax dieser Version?
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9 Ji ltar spyad from there to being present seems a big jum. It would be more like "whatever conduct you have, whatever you do". But the dbu-med edition has gang ltar gnas, so that was what I was following. That is more awkward to translate.
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Ji ltar spyad vom "dort sein" zum "gegenwärtig sein" scheint ein großer Sprung. Wahrscheinlicher erscheint "was immer dein Verhalten und Handeln ist". Aber die Umê-Version (dbu-med) hat gang ltar gnas, und dieser Lesart bin ich gefolgt. Dies ist etwas mühsamer zu übersetzen.
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10 There is bsdus  བསྡུས་  in the dbu-med version and bsdebs is in the dbu-chen version.
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Hier steht bsdus  བསྡུས་  in der Umê-Version (dbu-med) und bsdebs in der Uchen-Version (dbu-chen).
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11 The dbu-med version with its annotations is like this, with annotations in brackets: de ni [dus gsum gyi] sangs rgyas kun gyi lam [chen po yin no] / [gang zag] bskal pa rab [te mchog] tu gyur pa la / [na ro pa] bdag gis snying gtam tshig tu bsdus.
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Die Umê-Version (dbu-med) mit ihren Anmerkungen in eckigen Klammern liest sich so: de ni [dus gsum gyi] sangs rgyas kun gyi lam [chen po yin no] / [gang zag] bskal pa rab [te mchog] tu gyur pa la / [na ro pa] bdag gis snying gtam tshig tu bsdus.
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D.  Quellen
 
Nāropa's Mahamudra in Brief, Uchen-Version (dbu-chen),
aus der Schatzsammlung der Mahāmudrā Unterweisungen,
(Nges don phyag rgya chen po'i khrid mdzod - W23447-1892-674-676).

Nāropa's Mahamudra in Brief, Umê-Version (dbu-med),
aus der Sammlung Indischer Mahāmudrā Texte,
(Phyag chen rgya gzhung - W21554-3541-259-262).



E.   Zur Person von Peter Alan Roberts
 
Peter Alan Roberts wurde 1952 in Wales geboren und lebt jetzt in Hollywood/Kalifornien. Er studierte in Oxford Sanskrit und Pali (B.A., M.A.) und promovierte zu einem Thema aus der Tibetologie (Ph.D.). Er verbrachte einige Zeit der Meditationspraxis im tibetischen Zentrum Kagyu Samye Ling in Schottland und arbeitet seit mehr als 30 Jahren als Dolmetscher für tibetische Lamas und Übersetzer tibetischer Texte, mit dem Schwerpunkt in der Kagyü- und der Nyingma-Tradition.
 
Seine wichtigsten Übersetzungen und Veröffentlichungen sind:

  • An Ocean of the Ultimate Meaning - Teachings on Mahamudra, by Khenchen Thrangu.
    224 Seiten, Shambhala Publications, Boston, MA, USA, 2004.
  • On Buddha Essence - A Commentary on Rangjung Dorje's Treatise, by Khenchen Thrangu.
    200 Seiten, Shambala Publications, Boston, MA, USA, 2006.
  • The Biographies of Rechungpa - The Evolutions of a Tibetan Hagiography.
    304 Seiten, Routledge, New York, USA, 2007.
     
  • Mahāmudrā and Related Instructions - Core teachings of the Kagyü-School.
    764 Seiten, Wisdom Publications, Somerville, MA, USA, 2011.
    Siehe: The Library of Tibetan Classics.
    Dieses Opus Magnum enthält 11 von Kenchen Thrangu Rinpoche ausgewählte tibetische Texte zu Mahāmudrā aus dem 10.-16. Jahrhundert.

 

F.  Einige Gedanken zum frühen Mahāmudrā

Mahāmudrā (ཕྱག་རྒྱ་ཆེན་པོ, phyag rgya chen po, Chagya Chenpo), das Große Siegel oder die Große Haltung, bezeichnet eine nichtdualistische Meditation, die in den Gemeinschaften der tantrischen Mahasiddhas im 8. Jh. im indischen Königreich Pala (750–1174) im heutigen Bengalen entstand. Durch den Tibeter Marpa (1012–1097), einen Schüler des indischen Mahasiddha Nāropa (1012–1097) und anderer indischer Meister, gelangte Mahāmudrā nach Tibet, wo es insbesondere in der auf Marpa zurückgehenden Kagyü-Linie besonders wertgeschätzt und praktiziert wurde und wird.
Der bekannteste Schüler von Marpa war der große tibetische Yogi und Dichter Milarepa (1052–1135), der in jahrelangen einsamen Retreats vornehmlich Mahāmudrā praktizierte. Einer seiner Schüler, Gampopa (1079–1153), lehrte dann die Mahāmudrā-Meditation breit und öffentlich. Dies führte zu Konflikten mit anderen tibetischen Dharmalehrern, welche im Gegensatz zu Gampopa die Meinung vertraten, Mahāmudrā sei eine tantrische Praxis, die nur fortgeschrittenen tantrischen Yogis und Yoginis zugänglich gemacht werden dürfe.

Möglicherweise geht die unklare Urheberschaft des hier widergegebenen Textes Mahāmudrā in Kürze auf diese innertibetischen Diskussionen zurück. Peter Alan Roberts hat zahlreiche Hinweise darauf gefunden, daß der vorliegende Text von Nāropa stammt. Andererseits gibt es von dem indischen Mahasiddhi Maitripa, einem langjährigen Schüler von Nāropa, schriftliche Aussagen, daß Mahāmudrā als eine nichtdualistische Praxis weder zur Sūtra- noch zur Tantra-Tradition zu rechnen sei, sondern tatsächlich diese verschiedenen Traditionen durch die direkte Erfahrung des Dharmakāya verbinde - und eben hierauf berief sich Gampopa in Diskussionen. Im Laufe der Jahrhunderte wurde in den verschiedenen tibetischen Schulen das frühe und schlichte indische Mahāmudrā mit einer ganzen Anzahl zusätzlicher Konzepte verknüpft und überlagert (siehe Peter Alan Roberts Mahāmudrā and Related Instructions und neuere Forschungspublikationen zu Mahāmudrā von Klaus-Dieter Mathes).

Aus der Sicht einiger westlicher Mahāmudrā-Praktizierender (und des Autors dieser Gedanken) macht es durchaus Sinn zu dem schlichten und direkten indischen Mahāmudrā zurückzukehren, wie es uns diese schönen Texte B. Nāropa: Mahāmudrā in Kürze, bzw. A. Maitripa: Die Essenz von Mahāmudrā und Tilopa: Gesang von Mahāmudrā vermitteln. Dabei gilt für Mahāmudrā-Praktizierende das gleiche, wie für andere buddhistische Übende auch: die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Meditationslehrer oder einer Lehrerin ist wesentlich beim Überwinden der vielen Illusionen und Hindernisse auf dem WEG :-)

Freunden der Chan- und Zen-Meditation, speziell in der Tradition des heiter gelassenen Widerspiegelns (默照禪, mò zhào, jap. moku shō, engl. serene/silent reflection), wird sicherlich eine innere Verwandtschaft der frühen indischen Mahāmudrā-Texte mit einigen frühen chinesischen Chan-Texten auffallen. Beide Traditionen betonen einen nichtdualen Ansatz vor dem Hintergrund der buddhistischen Yogâchâra- (Vijñânavâda-) Philosophie. Siehe hierzu etwa:

Natürlich gibt es auch Unterschiede in der Herangehensweise: während Chan aufgrund seiner Herkunft aus den indischen Dhyana-Schulen den großen Wert einer korrekten Sitzpraxis betont, weist uns Mahāmudrā darauf hin, daß es keiner "Korrektur" von Körper und Geist und keiner "Meditation" bedarf, um im Hier und Jetzt mit der Soheit (tathatâ) in Berührung zu kommen - und doch bedarf dies einer konsequenten Übung und Aktualisierung!
Daher sind für die meisten Mahāmudrā-Praktizierenden die vorbereitenden Übungen von Avalokiteshvara-Praxis, Ngöndro, Shamatha und Vipashyana ebenso notwendig wie hilfreich.

Die letzen Worte soll hier der Mahasiddha Tilopa haben, einer der Väter des Mahāmudrā.
 
Die Sechs Worte zu Mahāmudrā von Tilopa an Nāropa:
(Quelle: Six Words of Advice by Tilopa,
 English Translation by Ken McLeod, siehe auch: Unfettered Mind.)
 

མིམནོ Kein Erinnern. Laß los, was vergangen ist.
མིབསམ Kein Vorstellen. Laß los, was kommen mag.
མིཤེས Kein Denken. Laß los, was jetzt geschieht.
མིདཔྱོད Kein Untersuchen.    Laß los, irgendetwas herauszufinden.
མིསྒོམ Kein Kontrollieren.    Laß los, irgendetwas zu kontrollieren.
རང༌སརབཞག    Ruhe. Entspanne dich gerade jetzt und ruhe.
 

 

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